OAS isoliert Haitis Putschisten

■ USA verlegen Marinesoldaten nach Guantanamo/ Regierungschef Préval ruft aus dem Untergrund zum Widerstand auf/ Karibische Menschenrechtsorganisation spricht von über hundert Toten

Washington/Port-au-Prince (afp/ ap/dpa/taz) — Der von den Militärs gestürzte Staatspräsident Haitis, Jean-Bertrand Aristide, hat bei einer Dringlichkeitssitzung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington die internationale Gemeinschaft aufgefordert, mit „allen friedlichen Mitteln“ die Demokratie in seinem Land wiederherzustellen. Die Organisation beschloß, alle 34 Mitgliedsstaaten aufzufordern, die wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Beziehungen zu Haiti auszusetzen, solange die Militärs an der Macht sind. Zudem soll eine hochrangige internationale Delegation nach Haiti entsandt werden, die mit den neuen Machthabern über die Rückkehr zur Demokratie verhandeln soll. Der 38jährige Priester Aristide, ein Anhänger der Theologie der Befreiung, hatte nach einem fulminanten Sieg bei den ersten freien Wahlen nach über 30 Jahren im vergangenen Februar sein Amt angetreten.

Präsident Bush gab am Mittwoch bei einer Pressekonferenz bekannt, er sei gegenwärtig „abgeneigt“, US- Truppen auf die Karibikinsel zu schicken. In der OAS werde allerdings über die Entsendung einer „multinationalen Truppe“ gesprochen. Aus dem Pentagon wurde bekannt, daß knapp 500 Marine-Infanteristen auf den US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba verlegt worden seien. Sie hätten den Auftrag, notfalls die 7.000 in Haiti lebenden US- Bürger zu evakuieren.

Der Versuch des haitianischen Junta-Führers, General Raoul Cedras, seinen Putsch vom Montag im Parlament zu legalisieren, ist offenbar gescheitert. Nach Berichten des unabhängigen Senders Metropole in Port-au-Prince weigerten sich Abgeordnete und Senatoren am Mittwoch, dem Aufruf von Cedras zu einer Sitzung zu folgen. In beiden Kammern des Parlaments hat der gestürzte Präsident, der bei seiner Direktwahl durch das Volk 70 Prozent der Stimmen erhielt, nur eine Minderheit hinter sich. Der untergetauchte Regierungschef Préval hatte zuvor aus dem Untergrund zum Widerstand gegen die Militärs aufgerufen.

Aus der Hauptstadt Port-au- Prince gab es widersprüchliche Meldungen. Nach Angaben von CNN errichteten Gegner der Militärjunta in einigen Straßen Barrikaden. In anderen Berichten hieß es dagegen, es herrsche Ruhe, nur Soldaten seien unterwegs, ansonsten sei die Stadt wie ausgestorben. Auch über die Zahl der Opfer des Putsches gab es nach wie vor unterschiedliche Angaben. Die Menschenrechtsorganisation „Carribean Human Rights Network“ mit Sitz in Barbados spricht von über hundert Toten. Der Fotograf Frantz La Mothe gab an, allein im Zentralkrankenhaus der Hauptstadt befänden sich 140 Leichen.

Erstaunliche Mitteilungen machte der neue Militärmachthaber in Port-au-Prince bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. General Cedras bestritt, Anführer des Staatsstreiches gewesen zu sein. Soldaten, nicht Offiziere, hätten gegen Aristide rebelliert. „Ich selbst habe den Präsidenten beschützt“, sagte er den verdutzten Journalisten, Unteroffiziere hätten ihn zwingen wollen, beim Putsch die Führung zu übernehmen und dabei sogar mit Panzerkanonen auf sein Dienstgebäude geschossen. Doch habe er sich geweigert und zusammen mit anderen Offizieren Aristide im Armeehauptquartier in Sicherheit gebracht. Unmittelbar vor seinem Sturz habe der Präsident die Hinrichtung Lafontants befohlen, der unter der Duvalier-Diktatur Innen- und Verteidigungsminister war und nach einem gescheiterten Putschversuch im Januar zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Der untergetauchte Ministerpräsident Préval wies diese Beschuldigung als absurd zurück. Lafontants Leiche wurde am Mittwoch Journalisten gezeigt.

Cedras erklärte überdies, es seien Verhandlungen mit Politikern im Gange. Eine Rückkehr Aristides sei jedoch ausgeschlossen. Über die gegenwärtige Führung sagte der General: „Es gibt keine Regierung. Es gibt keine Militärregierung. Ich bin nicht Präsident irgendeiner Militärregierung.“ thos