Kleine Bunte für graue Große

■ 8. Puppentheaterfestival: Puppenspieler aus Minsk zeigten altes Volksmärchen

Oioioioi, da knarzen selbst rustikale Herzen in allen Fugen, wenn russische Puppenspieler mit ihren Puppen spielen und auf kleinen Tisch-Drehbühnen die große weite Welt so zusammenschnurrt, daß aus kleinen Dörfchen tatsächlich der Nabel der Welt wird und wir der Bauch, wo die Gefühle sitzen! Das ist aber auch ein Dörfchen! Eine wie mit Sahnesteif modellierte Kirchlein- Hütte-Palast-Formation mit einem extra zerlaufenden goldigen Sahnehäubchen auf dem Kirchturm.

Der zweite Abend des 8. Bremer Puppentheaterfestivals ist ein Abend über die Kraft der archaischen Einfachheit und der Suggestion: Das Staatspuppentheater Minsk spielt uns sein Stück „Der alte Mann und der Kranich“, ein weißrussisches Volksmärchen aus dem 16. Jh. über arme Bauern, wundersame Kraniche und gierige Mächtige, die am Schluß eins aufs Mützchen kriegen. Und Staatspuppentheater heißt hier: Puppenspielen vom Feinsten, 1A ausgebildet und ausgeklügelt. Und die zwei PuppenspielerInnen, Walentina Belasch und Alexander Kasakow, die spielen mit einer strotzenden Herzenslust — fast so wie unsereins früher.

Das sind aber auch Puppen! Die sind ungefähr so naturgetreu wie naive Malerei und, mit einem Schuß Lamento, so kompakt patent wie Babuschka, die russische Inkarnation der gutmütigen Farbenfröhlichkeit. Ohne ihre beiden Puppenspieler stünden die Figuren allerdings auf etwas verlorenem Pöstchen, weil sie nur die Arme heben können und zur Not noch Köpfe zum Ausfahren haben oder Mützchen zum Verschieben. Aber Walentina Belasch und Alexander Kasakow, diese beiden Engel, wirklich, mit kleinen Flügelpärchen an ihren Juteanzügen, die lieben alle ihre kleinen Bunten und beschützen und trösten sie und tanzen mit ihnen und machen sich manchmmal lustig über den Bauer und seine Frau, den Priester, den Dorfältesten, den Reichen und seine feinen Gäste, die küssen sich die Hand, pf, und sind dekadent auf dem Dorfe. Stört auch gar nicht, daß immer belorussisch gesprochen wird: die beiden Engel sind so prall voll vom Leben ihrer Figuren, daß wir alles verstehen.

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