"SenatorInnen zur Disposition"

DOKUMENTATION

„SenatorInnen zur Disposition“

Am kommenden Dienstag werden die SPD-Unterbezirke Ost und West getrennt beraten, um eine erste Analyse der Wahlergebnisse zu diskutieren, vorläufige Weichen für die künftige Koalition zu stellen und personelle Verantwortlichkeiten für das Wahldebakel zu benennen. Nach einem Papier der UB-Ost-Linken, haben jetzt einige Ortsvereine eigene Antragspapiere für diese Parteitage erarbeitet. Gestern veröffentlichten der Vorstand des Ortsvereins Schwachhausen und der Ortsverein Altstadt inhaltlich ähnliche Anträge für den Unterbezirksparteitag im Osten, bei dem am Dienstag Bürgermeister Wedemeier die Debatte über das Wahlergebnis eröffnen wird.

Wir dokumentieren Auszügen:

1. Die verheerende Wahlniederlage der SPD hat offengelegt, daß unsere Partei sich in einer tiefgreifenden Glaubwürdigkeits- und Legitimationskrise befindet. (...) Der Versuch von Teilen der Senats-, Fraktions- und Parteispitze, so schnell wie möglich zur Tagesordnung überzugehen, ist politisch fatal und behindert die notwendige Erneuerung.

2. Die Ursachen für das katastrophale Wahlergebnis sind vorrangig in der Regierungspolitik der letzten vier Jahre zu suchen. Mehr noch als Fehler in einzelnen Sachfragen (Verkehrspolitik, Kongreßzentrum, Hemelinger Marsch) ist dafür eine Politik verantwortlich, die bei den BürgerInnen unserer Stadt als Arroganz der Macht ankommen mußte und sich in zahlreichen Affären niedergeschlagen hat. So ist ein Klima der Ohnmacht entstanden, in dem ein erheblicher Teil der Bremer Bevölkerung der „Staatspartei“ einen Denkzettel verpassen wollte. Gleichzeitig hat das beschämende Wahlergebnis der DVU gezeigt, daß Demagogie der Rechtsparteien beim Asylthema mehr und mehr greift. Damit ist aber auch deutlich geworden, daß der Versuch des Senats, das Asylthema populistisch zu besetzen, nicht der SPD genutzt hat. Das Asylthema wurde zum letzten Auslöser für die dramatische Niederlage.

3. Das Ergebnis ist auch Ausdruck des zunehmenden Gefühls vieler Menschen, daß die Parteien unfähig sind, den wachsenden Berg von Problemen zu bewältigen und eine profilierte, sachorientierte und konfliktfähige Politik zu betreiben. Deshalb braucht unsere Stadt jetzt eine handlungsfähige Regierung, die in der Lage ist, an zentralen Politikfeldern eine konsequente und profilierte Politik zu betreiben. In einer rot- grünen Koalition besteht aufgrund der weitgehenden programmatischen Übereinstimmung in zentralen Politikfeldern am ehesten die Chance zur Bildung einer handlungsfähigen Regierung.

4. (...) Anders als bisher müssen die programmatischen Positionen wie sie im Berliner Grundsatzprogramm und im Wahlprogramm der Bremer SPD festgehalten sind, endlich auch die tatsächlichen Leitlinien der praktischen Politik werden. (...) Statt als Vollzugsorgang von Senat und Fraktion muß die Partei wieder als Vordenkerin fungieren. (...)

Eine umfassende Diskussion sozialdemokratischer Zielvorstellungen für unser Bundesland ist ebenso notwendig wie die Entwicklung eines neuen Politikstils im Umgang mit den Menschen. Solange die Vorstellung „der Staat gehört und und wir machen damit was wir wollen“ die Praxis von MandatsträgerInnen und FunktionärInnen unserer Partei prägt, kann die Krise nicht überwunden werden.

Eine personelle Erneuerung in Senat, Fraktions- und Parteivorständen ist deshalb unbedingt erforderlich. Alle SenatorInnen stehen zur Disposition. Bei der Besetzung des neuen Senats muß gelten: Qualifikation statt Regionalproporz, Kompetenz muß auch von außen geholt werden.

5. Wir fordern den SPD-Landesvorstand auf, vor Beginn der Koalitionsverhandlungen eine politische Analyse der Wahlergebnisse mit der Benennung der Ursachen und Fehler und der dafür verantwortlichen Personen, Gremien oder Umstände vorzulegen.