Kein garantierter Schutz für Geflohene

■ Ein Dutzend Jugendliche attackierte Vietnamesen-Wohnheim in Marzahn/ Hohe Polizeipräsenz verhinderte Gewalteskalation/ Flüchtlinge aus Hoyerswerda von Kirchengemeinde in Dahlem aufgenommen/ Mahnwachen gehen weiter

Berlin. Auch oder gerade am »Tag der deutschen Einheit« wurden am Abend in Berlin Heime von Asylbewerbern tätlich angegriffen. In Marzahn warfen ein Dutzend Jugendliche Fenster eines Wohnheims für Vietnamesen ein. Eine 31jährige Frau wurde verletzt. Die Polizei nahm acht 14 bis 15jährige fest. In Hellersdorf schleuderten Rechtsextreme einen Brandsatz gegen ein Haus, das früher an ein Ausländerwohnheim grenzte. Unter den Linden schlugen zwei Skinheads unter »Sieg Heil«-Rufen einen Passanten nieder. Die Täter wurden später festgenommen.

Für die 50 aus Hoyerswerda geflohenen Asylbewerber scheint indessen vorerst die Unterbringung in Berlin gesichert zu sein. Nachdem etwa 30 Leute am Dienstag die Kreuzberger Passionskirche besetzt und die zentrale Unterbringung der zum Teil versteckten Asylbewerber gefordert hatten, gewährt die Kirchengemeinde Dahlem 26 Geflüchteten Asyl. Die übrigen sind in anderen Gemeinden untergebracht. »Die Asylbewerber besichtigten die Gemeinderäume und stimmten der Unterbringung zu«, sagte Pfarrer Jürgen Quandt vom AK »Asyl in der Kirche«. Die Senatsinnenverwaltung muß nun entscheiden, wie sie mit den Flüchtlingen umgeht.

Theoretisch könnte Innensenator Heckelmann sie nach Sachsen zurückschicken. Jedoch hofft die Kirche auf ein baldiges Gespräch mit dem Senator. »Wir fordern, daß die aus Berlin nach Hoyerswerda verschickten und jene, die direkt dorthin gelangten, für die Dauer ihres Asylverfahrens bleiben dürfen«, sagte Pfarrer Quandt gegenüber der taz.

Weiterhin werden in Berlin Mahnwachen vor Asylbewerberheimen aufrecht erhalten. »Es rufen unheimlich viele Leute an, die sich beteiligen wollen,« teilte Trixi Frings von der Koordinationsstelle SOS- Rassismus mit. Einen durchgängigen Schutz der Asylbewerberheime gibt es allerdings in Berlin nicht. »Wir sind keine Kampftruppe, die mit Messern Heime verteidigt.« Die Mahnwachenteilnehmer hofften, durch ihre Präsenz den Heimbewohnern den Rücken zu stärken, so Frings. Rund 50 Menschen versammelten sich am Mittwoch mit antirassistischen Spruchbändern vor einem Asylbewerberheim in Steglitz.

Den jährlich verliehenen Negativ- Wanderpreis »Das Steinerne Herz« verlieh der Flüchtlingsrat Berlin gestern an Bundeskanzler Helmut Kohl. Kohl erhalte die Auszeichnug als »Repräsentant eines herrschenden Milieus von Pontius-Pilatus-Politikern«, die im Kampf um Wählerstimmen entscheidend dazu beigetragen hätten, daß schutzsuchende Flüchtlinge in Deutschland erneut verfolgt und entwürdigt würden, hieß es in der Verleihungsrede.

Eine starke Polizeipräsenz verhinderte am Donnerstag in Brandenburg die Eskalation rechtsextremer Gewalt. In Eberswalde schlugen etwa 50 Rechtsextreme Fenster von Wohnungen sowjetischer Familien ein, in Schwedt attackierten Jugendliche eine polnische Delegation und in Eisenhüttenstadt marschierte eine rund 40köpfige Gruppe auf das Zentrale Asylbewerberheim von Brandenburg. Jeannette Goddar