Von Formen und Funktionen

■ West 3 startet eine neue Designreihe: „Die Kreativen“, Sonntag, 14Uhr

Seitdem in jedem modernen Haushalt italienische Wasserkessel das frohe Lied von der vollkommenen Einheit zwischen Form und Funktion flöten, seitdem in den Kinos kurze Werbespots oft unterhaltsamer und weniger aufdringlich sind als die dann folgenden Spielfilme, deren Aufgabe es bisweilen zu sein scheint, nur noch die äußere Hülle für fortgesetztes Product-Placement darzustellen, erzeugt das Wort Werbung keinerlei Entrüstung mehr, und schönes Design findet jeder dufte.

Ein Grund für die beiden Autoren, Eila Hershon und Roberto Guerra, sich gar nicht mehr damit aufzuhalten, etwa sozialschädliche Komponenten einer dem perfekten Design unterworfenen Konsumwelt zu untersuchen. Sie plaudern gleich mit Designern aus aller Welt über das Schöne, Wahre und Gute des Aussehens der Gegenstände.

Und wie so oft, wenn man moralgestützte Offensiv-Interviews einfach vergißt, ergeben sich plötzlich doch sonderbar erhellende Umstände, in denen die Interviewten viel mehr von sich preisgeben als unter dem permanenten Beschuß kritischer Fragen. Da bedauert Ferdinand Porsche — fast schon konsumkritisch — eine wachsende Kluft zwischen Produkt und Käufer, die vor allem aus der mangelnden Auseinandersetzung mit dem käuflichen Gegenstand resultiert.

Die kleinen Macken, die kleinen Fehler, die Schrullen eines Autos haben einst den besonderen Bezug zwischen Kunde und Ware bestimmt. Jetzt schielt die Industrie nur noch auf Perfektion und zerstört diese wichtige Form der Identifikation. Ferdinand Porsche bedauert den Trend und erklärt damit unausgesprochen das Scheitern seiner Sportwagenfirma.

Die erste Folge der sechsteiligen Reihe über die kreativen Köpfe der Designszene befaßt sich mit dem Auto. Verblüffend an der Darstellung ist, daß sich die Designer, deren Schöpfungen in den Schaufenstern so viel von einer spirituellen Hingabe zur Ästhetik auszudrücken scheinen, sich plötzlich als ganz prosaische Menschen entpuppen, die das Machen über das Nachdenken stellen und nur selten über den Sinn von Design refektieren — selbst dann, wenn sie dazu aufgefordert werden.

Ferdinand Porsche wirkt unter derart schlichten Gemütern, die sich kindlich darüber freuen, wenn ihr Sandkastentraum von einem Auto plötzlich unter kräftigen Finanzspritzen eines japanischen Autokonzerns Form annehmen darf, fast schon wie ein Philosoph. Damit holt uns die Serie ganz ungewollt in die Realität zurück. Und da ist der Designer eben nicht — so glaubt die Kommentatorin der Reihe, Meredith Etherington Smith — „der Gesellschaftsingenieur der neunziger Jahre“, der den Politiker als gesellschaftsformende Kraft weitgehend abgelöst hat, sondern nur ein Mensch, der Design schafft, oder wie die deutsche Übersetzung des Modewortes weit weniger wichtigtuerisch bedeutet: ein Modellierer, ein Planer, ein Entwerfer, ein Anfertiger. An den folgenden Sonntagen wird in den jeweils einstündigen Beiträgen über Werbung, Räume, Medien, Film und Mode geplaudert werden. Christof Boy