Belgische Regierung reicht Rücktritt ein

Brüssel (afp/ap) — Der belgische Ministerpräsident Wilfried Martens hat König Baudouin am Freitag den Rücktritt seiner Regierung angeboten. Der christdemokratische Politiker zog damit die Konsequenzen aus einem Konflikt zwischen flämischen und wallonischen Politikern seiner Koalition.

Entzündet hatte sich die jüngste Krise der aus fünf Parteien — den flämischen und wallonischen Formationen der Christdemokraten und Sozialisten sowie der flämischen Volksunie — bestehenden Koalitionsregierung um die Genehmigung von Exportlizenzen an die wallonische Rüstungsindustrie.

Die flämischen Sozialisten und die Volksunie sperrten sich jedoch gegen Rüstungslieferungen an Saudi Arabien. Dies hatten die französischsprachigen Wallonen als Angriff auf ihre Industrie gewertet und gedroht, öffentliche Aufträge der Post für flämische Unternehmen zu blockieren.

Ein Scheitern der Regierung konnte am vergangenen Wochenende nur mit einem Kompromiß verhindert werden, der darin bestand, daß für Außenhandelsfragen extra „regionale Ministergremien“ gebildet wurden. Somit unterzeichneten nur wallonische Minister die Exportlizenzen der Rüstungsindustrie. Jedoch auch dieser Kompromiß war von der Volksunie nicht mitgetragen worden, die am Sonntag ihre beiden Minister aus der Koalition abzog. Der Kompromiß war jedoch in Flandern als eindeutiger Sieg für die Wallonen interpretiert worden. Martens' eigene flämische christdemokratische Partei CVP kritisierte den Regierungschef. Beobachter rechneten damit, daß Martens am Freitag nachmittag bei der Vertrauensabstimmung für sein umgebildetes Kabinett im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, durch Nein-Stimmen aus den eigenen Reihen zu Fall kommt.

Als die wallonischen Minister am Freitag morgen einen neuen Streit in der Regierung auslösten, indem sie die Postaufträge mit einer Entscheidung darüber verbinden wollten, daß die Regierung der Regionalregierung die Einnahmen aus den Radio- und Fernsehgebühren überweist, damit diese nötige Ausgaben im Bildungswesen finanzieren kann, sah Martens offenbar keine Möglichkeiten für eine Schlichtung des Sprachenstreits.