Serbischer Block übernimmt den Bundesstaat

Die Bundesregierung und das Bundesparlament sind nun auch offen ausgeschaltet / Die Armee führt Krieg im Namen eines serbischen Jugoslawiens  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler

Nachdem am Donnerstag der „serbische Block“ im jugoslawischen Staatspräsidium eigenmächtig und verfassungswidrig die Amtsgeschäfte der Bundesregierung übernahm und die schleichende Entmachtung der Regierung Markovic und des Präsidenten Mesic als vollzogen erklärte, interpretierten westliche Diplomaten diesen Vorgang umgehend als „weichen Putsch“. Denn mit diesem Akt wurde die Bundesregierung unter Ministerpräsident Ante Markovic und auch das Bundesparlament nun auch nach außen hin völlig entmachtet.

Der „serbische Block“ im Staatspräsidium, die Vertreter Serbiens, der Wojwodina, Kosovos — die Regierung dort ist durch Serben dominiert — und Montenegros hätten die Aufgaben des Bundesparlaments übernommen, erklärte der montenegrische Vertreter im Staatspräsidium, Branko Kostic, in einer ersten Stellungnahme. Damit ist der jugoslawische Bundesstaat in serbische Hand übergegangen und hat aufgehört zu existieren.

Belgrader Zeitungen veröffentlichten gestern im vollen Wortlaut eine Rede von Verteidigungsminister General Veljko Kadijevic, in der dieser die Konstellationen des Zweiten Weltkrieges heraufbeschwört. In Zagreb sei ein „faschistisches Regime“ an der Macht, das mit Hilfe Deutschlands gegen Serbien kämpfe. Der in Zagreb herrschende „Neo-Nazismus“ bedrohe alle nicht- kroatischen Völker Jugoslawiens, vor allem die Serben, mit Völkermord. Dagegen müsse mit allen Mitteln vorgegangen werden. Alle „Patrioten“ seien gerufen, das Land „gegen Faschismus und Völkermord“ zu verteidigen.

Das Ziel der Armee sei es nun, so spekulieren einige Beobachter, die Kontrolle über die anderen Republiken mit Waffengewalt zu erzwingen um wieder ein serbisch dominiertes Jugoslawien zu errichten. Von ehemals acht Provinz- und Republiksparlamenten sind nur jene aus der ungarisch besiedelten Wojwodina, dem albanischen Kosovo und dem montenegrinischen Titograd Belgrad gleichgeschaltet. In der Republik Bosnien ist das Parlament aufgrund der serbischen Parteien — sie stellen über ein Drittel der Abgeordneten — seit Wochen in den Entscheidungen gelähmt und auch Mazedonien wird durch andere innere Konflikte geschüttelt. Zumindest in diesen Republiken könnte der Plan ohne Krieg ausgeführt werden. In Kroatien müßte die Regierung gestürzt und der militärische Widerstand gebrochen werden.

Aus „geheimen“ Armeedokumenten und aus der Umgebung des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic ist zu schließen, daß nach der Zagreber auch auch die Regierung in Sarajewo gestürzt werden solle, schreibt das serbische Intellektuellenblatt 'Vreme‘.

Im albanischen 'Zeri i Rinise‘ wurden Pläne einer „serbischen Südfront“ veröffentlicht, in denen zum Ausdruck kommt, daß im Kosovo eine Massenvertreibung „albanischer Eindringlinge“ von „urserbischem Territorium“ bevorstehe. Die mazedonische Wochenschrift 'Puls‘ glaubt ähnliche Pläne für diese ärmste jugoslawische Republik auszumachen, während in keiner Nummer der kroatischen Wochenschrift 'Globus‘ Operationspläne für ein „Serbo-Slawien“ anstelle eines „Jugoslawien“ fehlen. Die gestrigen Massenblätter aus Zagreb setzten dem noch eine neue Warnung hinzu. Die 'Vecernij list‘: „Jetzt ist auch die Verhängung eines Kriegsrechts möglich.“

Mit Verwunderung nehmen die Blattmacher auch zur Kenntnis, daß neben den jugoslawischen Republikspräsidenten gestern auch General Kadijevic von der EG zur Friedenskonferenz nach Den Haag eingeladen wurde. Gilt für Westeuropa ein Putschgeneral als politischer Gesprächspartner? fragt man sich in Zagreb. Belgrader Blätter sehen dagegen darin eine Bestätigung, daß auch Westeuropa über die „friedensstiftenden Absichten“ der Bundesarmee überzeugt sei ('Politika‘). In einer massiven Propaganda versucht die Belgrader Führung die Generäle als „letzte Retter“ vor der „faschistischen Gefahr“ aus Zagreb und aus Deutschland darzustellen.