„Go East“ scheitert für Zivis am falschen Chip

Wegen nicht kompatibler Computersysteme kann das Bundesamt für Zivildienst keine West-Zivis in den Osten schicken/ Der Rechner verweigert das O wie Ost/ Zivildienstleistende rufen den Petitionsausschuß des Deutschen Bundestags an/ Die Schlamperei geht trotzdem weiter  ■ Von Bernd Müllender

Aachen (taz) — „Zivis — Go East“ appellierte im Frühsommer der Staatssekretär im Bundesjugendministerium, Peter Hintze, an die Zivildienstleistenden aus den alten Bundesländern. Sie mögen sich doch, bat er eindringlich in 'Bild‘ und der Hauspostille 'Der Zivildienst‘, Stellen im Osten suchen, um die dort besonders argen Notstände im maroden Gesundheitssystem mildern zu helfen. Zudem diene das umgekehrte Rübermachen „auch der gegenseitigen Verständigung“.

Ralf Beblawy (22) aus Hamburg, dessen Frau in Sachsen wohnt, fühlte sich besonders angesprochen. Er hatte Ende 1990 seinen Zivildienst im Westen begonnen, als die ersten Zivi-Stellen im neuen Osten gerade eingerichtet wurden. Beblawy erlebte in seiner neuen Wunschheimat, „wie alte Frauen bei diesem schlimmen Pflegechaos manchmal zwei Stunden auf dem Topf sitzen, nur weil niemand da ist, der sie wieder runterholt“. Da gelte es vielmehr noch zu helfen und sogleich fand er eine neue Stelle, sein Hamburger Krankenhaus war mit dem Wechsel einverstanden, wie — im Prinzip — auch das zuständige Kölner Zivildienst-Bundesamt. Und dennoch ist Beblawy immer noch in Hamburg, nach mehreren Monaten eines (bis heute erfolglosen) Slalomlaufs durch die bundesdeutsche Behördenvielfalt, die ihn „allmählich zermürbt und seelisch kaputt macht“.

Schuld trägt das neue, besonders moderne Rechnersystem im Kölner Bundesamt, das für die besonders schwer zu bearbeitenden Ostdaten angeschafft wurde. Es hat nur einen Nachteil: es ist mit dem alten Rechner für Westdaten nicht kompatibel. Sprich: Einmal im Westcomputer, immer im Westcomputer, so wie Beblawy. Nach dem politischen Systemantagonismus zwischen Ost und West nun ein datentechnischer. Digital sind wir noch lange nicht ein Volk. Ein Sprecher des Kölner Amtes versucht auf Anfrage der taz die unglaubliche Behördenposse zu erklären. Das Dilemma liege in den „verschiedenen Datenbänken“ begründet, sagt er, da gebe es „eben nicht deckungsgleiche Systeme“. Seit einem Jahr arbeiteten die Spezialisten daran, man habe alles versucht, aber die banalsten Dinge klappten bis heute nicht, etwa den Westrechner zu einem „O“ vor die östlichen Postleitzahlen zu überreden: „Die nimmt der nicht.“ Schließlich will der Sprecher nicht mehr schönreden: „Ich stehe da ja genauso fassungslos vor wie Sie.“

Ost-willigen Dienstwechslern wie Ralf Beblawy hilft eine solche Bankrotterklärung wenig. Sicher sei im Einzelfall auch per Hand ein Wechsel vollziehbar, hat das Bundesamt schon durchsickern lassen, aber damit werde ein Präzedenzfall geschaffen. Mittlerweile gibt es nämlich mehrere hundert andere Betroffene aus dem Westen, die in den Ostländern dienen wollen aber nicht können. Sie alle scheitern am Chip und an der Unflexibilität der offenbar überforderten Behörde. Und seit dem Frühjahr hat sich die Zahl von 15.500 Ost-Zivis auf nur noch 7.000 mehr als halbiert (alte Länder 88.000). Die Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der KDV hat sich jetzt an den Petitionsausschuß des Bundestages gewandt. Da wolle einer „auf Dauer und ohne finanziellen Anreiz in die neuen Bundesländer“, schimpft die Zentralstelle, und dann werde „ein Vorgang, von Länderregierungen und Bundesregierung immer wieder gefordert, von der oberen Bundesbehörde konterkariert“. Auf diesen Appell an die Volksvertreter reagierte der zuständige Referartsleiter im Hintze-Ministerium nun auf seine Weise: Erst sicherte er Beblawy, am 15. Juli, schriftlich zu, er sei „grundsätzlich bereit“ zum Stellen wechsel. In den folgenden acht Wochen tat sich jedoch nichts. Jetzt maßregelte er den Zivi, in das Petitionsverfahren nicht mehr eingreifen zu können.

Beblawy rechnet nun mit dem zynischsten Ergebnis all seiner Bemühungen: Daß der Bundestagsausschuß sich pünktlich zum Dienstzeitende im Februar mit einem positiven Bescheid meldet.