Exoten auf dem Bremer Öko-Dom

■ Sammler alter Obstsorten und vergessener Kräuter hinter Bio-Buden

Unscheinbar sitzt Gert Müller hinter seinem Stand, ein Tablett mit Bechern voller Apfelsaft und wenigen maschinegeschriebenen Infoblättern vor sich. Doch wer genauer hinsieht, sich gar Zeit zum Gespräch nimmt, der hat mit Gert Müllers Stand der „Obst- Mosterei Gothel“ zwischen Vollwert-Imbißbuden, Gemüseständen und Kunsthandwerk eine der Raritäten des ersten Bremer „Öko-Doms“ entdeckt. Müller hat außer Apfelsaft, Apfelwein und der Möglichkeit zu Keltern nämlich noch mehr zu bieten: eine Art „Freiluftmuseum und historisches Archiv für Äpfel.“

Der Krankenpfleger Gert Müller sammelt nämlich alte Obstsorten, besonders Äpfel. Über 600 vom Aussterben bedrohte Apfelarten hat er bereits auf seinem Grundstück in Eydelstedt gepflanzt. Sammler-Leidenschaft und der Wunsch, der vermarkteten Einheitsware der „Golden delicious“ und „Granny Smith“ die ursprüngliche Artenvielfalt der heimischen Apfelwelt entgegenzuhalten, haben aus dem Hobby mittlerweile eine Profession gemacht: Aus der Obstbaumwiese wurde eine Baumschule, die sich auf alte Obstsorten (auch Kirschen, Birnen, Beeren-Sträucher) spezialisiert hat.

Außerdem ist Müller „Pomologe“: Obstbaukundler. Auf seine Initiative hin wurde im Januar der „Pomologen-Verein“ gegründet, dem Obstkundler aus ganz Europa angehören. Für ihn baut Müller eine „Gen-Bank“ auf, um die alten Obstsorten, die zum Teil nur noch aus alten Büchern und Baumschulkatalogen bekannt sind, am Leben zu erhalten.

Einige Arten fehlen noch in der Sammlung. Die Bremer Lokalsorte „Doodapfel“ kennt Müller zum Beispiel nur vom Hörensagen: „Ein alter Mann hatte mir von einem solchen Baum erzählt. Aber als ich hinkam, gab es ihn schon nicht mehr.“ Auch der sogenannte „Berliner“, der „Syker Dauerapfel“ oder die „Große Luise“ (eine zuletzt 1910 erwähnte Birne) waren bisher nirgends aufzutreiben. „Manche Leute erinnern sich noch an diese Sorten, die ganz anders schmeckten als das, was heute so verkauft wird“, erzählt Müller. Er hofft, über Ökomärkte wie den Bremer Öko- Dom, über Ausstellungen und seine Baumschul-Kunden weitere „Objekte“ für seine Sammlung zu finden.

Eine ähnliche Leidenschaft wie Müller pflegt auch der Bremer Lehrer Daniel Rühlemann: Er sammelt und züchtet exotische Kräuter. Nach einem zaghaften Versuch auf dem Flohmarkt im vergangenen Jahr hat er inzwischen einen festen Stand auf dem Bremer Wochenmarkt. Im Frühjahr wird er mit seinen Kräutern ins Versandgeschäft einsteigen. „Der Markt ist riesig. Besonders in USA und Frankreich ist man schon viel weiter. Die Deutschen bleiben bisher bei Petersilie und Basilikum stehen“, meint Rühlemann. Er bot auf dem ersten überregionalen Ökomarkt in Bremen gestern außer seinen Pflanzen Kostproben mit exotischer Kräuterbutter und — quark an: mit Meerfenchel und Vietnamesischer Melisse, mit Ananassalbei und Winterlauch zum Beispiel.

„Die Leute sind sehr aufgeschlossen“, beobachtet der Kräuterfachmann. Immer wieder wird er nach Heilpflanzen, nach wohlriechenden Kräutern oder einfach nur nach den Standortbedingungen für die vergessenen Nutzpflanzen gefragt.

Der Bremer Großmarkt hatte diesen ersten überregionalen Bremer Ökomarkt (mitsamt alternativem Kulturprogramm) organisiert. Der Besucherandrang war so groß, daß der Öko-Dom künftig regelmäßig mindestens einmal im Jahr stattfinden soll. ra