Biologisch-dynamische LPGs statt A2-Fahrerei

■ Die Food-Coops wollen bei Bauern im Berliner Umland einkaufen/ Die Idee der Verteilerringe kommt aus dem Amerika der sechziger Jahre/ Der Direktverkauf ärgert die städtischen Bio-Händler/ Sind die Wendland-Pendler bald überflüssig?

Berlin. Die Berliner entdecken ihr Umland: Knapp zwei Jahre nach dem Fall der Mauer wollen Ernährungsbewußte die Bauern in der Umgebung zum Anbau ohne Düngemittel und Pestizide bewegen. Ihr Angebot: Food-Coops, die den Produzenten einen Mindestabsatz sichern. Neu ist die Idee nicht. In Amerika entstanden bereits während der 60er Jahre die ersten Verteilerringe, die Bio- Produkte ohne eigenen Profit an die Verbraucher weiterleiteten. Studenten- und die Landkommunen-Bewegung brachten den Gedanken nach Europa, wo er ökologischen Nährboden fand. Seither sind zahlreiche Bauern und Bäuerinnen wöchentlich Hunderte Kilometer biologisch-dynamisch auf deutschen Autobahnen unterwegs, um Berlin mit ihren Produkten zu versorgen.

Doch die Fahrerei soll ein Ende haben. »Wir müssen uns stärker um die Bauern im direkten Umland kümmern«, fordert Rainer Just, Mitarbeiter der evangelischen Versöhnungsgemeinde im Wedding. Mit einigen Interessierten trifft er sich regelmäßig, um eine Food-Coop mit Bauern in Brandenburg zu gründen. Der Hof könne besucht werden, nicht nur, um zu kontrollieren, ob der Anbau auch wirklich den Ansprüchen genügt. »Für die Bauern wäre die Food-Coop eine neue Chance«, erklärt Just, an normale Ladenketten würden die meisten Bauern seit der Währungsunion ohnehin nichts mehr los.

Leben können die Bauern von Food-Coops aber nur, wenn die Käufer regelmäßig feste Mindestmengen abnähmen. Daran zerbrachen die ersten Food-Coops, die in den frühen 70ern in Berlin existierten. Mit den Zeltdörfern im Wendland hatte es für viele angefangen: Beim Protest gegen AKWs kamen sich nicht nur die Demonstranten untereinander, sondern auch den Bauern näher. Gemeinsam war ihnen die Sorge um die bedrohte Natur, doch ohne garantierten Absatz mochten die Landwirte nicht auf den Öko-Anbau umsteigen. So verpflichteten sich einzelne zum regelmäßigen Kauf von Obst und Gemüse, doch das Interesse ebbte bald ab. Zu groß waren die Mengen, zu gering die Auswahl. Doch die Festabnahme ist ohnehin inzwischen out: Abo-Kisten und Eigenverkauf sind der letzte Schrei der Food-Coops. »Wir stellen allen Abonnenten ein je nach Saison wechselndes Sortiment für 25 Mark zusammen«, erklärt Dani vom niedersächsischen Hof Tangsehl. Jeden Samstag kommt der Laster mit den Abo-Kisten und einem breiten Zusatzangebot zu den Waldorfschulen in Kreuzberg und Zehlendorf. Die Verteilung läuft also nicht mehr über einen gemeinnützigen Ring; die Erzeuger verkaufen direkt an die Verbraucher. Die Preise liegen deutlich unter denen der Bio-Läden, denn es gibt keinen Zwischenhandel. Als erste Adresse gilt seit Jahren der Markt auf dem Winterfeldplatz.

Echte Food-Coops existieren fast nur noch, wo große Mengen abgenommen werden. So besteht in der Evangelischen Studentengemeinde der TU seit Jahren ein gemeinsamer Einkauf, und auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bietet Interessierten Möglichkeit zum bauernnahen Bio-Kauf.

Christian Arns