Senderverstopfung: Im Westen kaum Neues

WDR startet heute sein fünftes Hörfunkprogramm  ■ Von Jürgen Bischoff

Nach dem Bayerischen Rundfunk (BR), der sein fünftes Programm als reinen Nachrichtenkanal konzipiert hat, ist der Westdeutsche Rundfunk (WDR) die zweite Sendeanstalt, die ihren HörerInnen ab heute fünf verschiedene Programme anbietet. Auch in Köln soll die fünfte Welle hauptsächlich als informatives Wortprogramm gestaltet werden.

Doch anders als Bayern 5 hat das neue WDR-Programm nichts fundamental Neues zu bieten. Es fungiert vielmehr als Entlastungskanal für die vier Programme, die schon bisher im Sendeschema zu finden waren. Hier läßt sich weitgehend nur das wiederentdecken, was bislang auf den anderen Hörfunk-Kanälen untergebracht war: Von den Landesthemen-Sendungen Echo West (früher WDR1) und Forum West (früher WDR3) über die Regionalberichterstattung der acht Außenstudios zwischen Aachen und Bielefeld und dem Schulfunk bis hin zu einem viereinhalbstündigen Programm in Immigrantensprachen, das auf der einstigen Sonderfrequenz 103,3MHz lief, die ab heute nun offiziell in WDR 5 umbenannt wird.

Dazu kommen Wiederholungen aus den anderen WDR-Kanälen, wie die Verbrauchersendungen Quintessenz um 17.45 Uhr und um 22.20Uhr die beliebte Geschichtssendung Zeitzeichen.

Weitere Übernahmen von den anderen Wellen sind jeweils täglich um 14 Uhr Features und um 16 Uhr Hörspiele, die an den Tagen vorher schon zu hören waren.

Wirklich eigenständig neue Sendungen auf WDR5 sind täglich 20 Minuten Wirtschaftsinformationen (Wirtschaft aktuell) um 13.10 Uhr, abends um 17.35 Uhr zehn Minuten regionale Kurznachrichten aus den Landesstudios und am Samstag um 16.30 Uhr ein neues regelmäßiges Medienmagazin Töne, Texte, Bilder.

WDR5 ist also ein Sparsender. Das macht sich auch daran fest, daß für das neue Programm mit Ausnahme einiger Stellen für TechnikerInnen und der redaktionellen Koordination keine einzige Planstelle neu geschaffen wurde.

Abends dann herrscht für die HörerInnen von WDR5 das komplette Frequenzchaos: Je nach Region und technischer Leistung der Sendemasten werden die einen mit Immigrantensendungen versorgt, die anderen bekommen auf ihrer Welle das Klassikprogramm WDR3 eingespeist und die Dritten das Rock-Pop-Angebot von WDR1. Sinn und Zweck von WDR5 ist also vielmehr, als eine Art Abwasserkanal für diejenigen WDR-Wellen zu fungieren, bei denen die konsequente Stilisierung als spezifisches Zielgruppenprogramm verstopft war, namentlich WDR1.

Wo bisher erst zur Nachschulzeit um 13 Uhr das Rock-Pop-Programm auf ein junges Publikum losgelassen wurde, geht dies nun rund um die Uhr (inklusive Morgenandacht). Die regionalen Frühinformationsprogramme weichen einem Morgen- Rock ab 6 Uhr mit viel Musik, die „in“ ist (WDR-Pressetext), und während die Kids in der Schule sind, trägt auch der WDR dem Trend zum „Classic Rock“ für die in den Siebzigern aufgewachsenen kaufkräftigen Schichten Rechnung.

WDR2 wird vollständig „durchmagaziniert“ seine Rolle als Informationssprogramm spielen. Weggefallen ist nun endgültig die zweistündige monothematische Magazinsendung Thema heute. An ihre Stelle tritt eine in der Sendezeit auf vier Stunden verdoppelte regionale Informationssendung Zwischen Rhein und Weser, die sich in den letzten zwei Stunden verstärkt auch den nationalen und internationalen Ereignissen widmen soll, sowie ein neues dreistündiges Abendmagazin, „ein jederzeit für laufende Ereignisse geöffnetes Magazin“ für das auch Themen vorgesehen sind, die nicht der Tagesaktualität unterliegen — wie es im WDR- Pressetext heißt.

Damit wird der Versuch umschrieben, wenigstens ein bißchen die vertiefenden Informationselemente, die Thema heute bot, in die Programmreform hinüberzuretten.

MitarbeiterInnen des Hauses bezweifeln allerdings, ob sich das realisieren läßt, denn die redaktionelle Verantwortlichkeit der JournalistInnen rotiert nun stärker zwischen den einzelnen Magazinen. Die Identifikation mit einer bestimmten Sendeform — so die Befürchtungen — könnte mangels Motivation stark nachlassen.

Fest steht jedenfalls nur eines: Am heutigen Montag werden die ZuhörerInnen in Nordrhein-Westfalen erst einmal die große Kurbel am Radio drehen müssen, um ihre Lieblingssendungen wiederzufinden. Wem das nicht auf Anhieb gelingt, der kann sich direkt beim WDR unter der Telefonnummer 0221-2871, einer eigens installierten Servicenummer, über die Programmreform informieren, Fragen stellen und die neuen Frequenzen in Erfahrung bringen.