PRESS-SCHLAG
: Flaschenteufelchen

■ Mysteriöser Vorfall bei St. Pauli — Fortuna Köln (2:0)

Der Pressecontainer füllte sich mäßig, kein atemloses Gedränge wie nach großen Siegen mußte erlitten und genossen werden. 2:0 hatte der FC St. Pauli die Kölner Fortunen besiegt. Es war ein doppelter Punktgewinn, der weder diejenigen befriedigte, die ein Happy-End des zuvor als „Schicksalsspiel“ apostrophierten Zweitliga-Kicks herbeisehnten, noch jene glücklich machte, die sich von einer Niederlage eine heilsame Wirkung auf die angeschlagene Verfassung der Millerntor- Jungen versprachen.

Der eigentliche Thrill wurde erst kurz vor der Pressekonferenz angepfiffen. Da nämlich kam FC- St.-Pauli-Geschäftsführer Manfred Campe hastig in den Pressecontainer gestürzt und bat mit hechelnder Stimme um Gehör: „Ich möchte etwas sagen zu dem Zwischenfall mit dem Kölner Torwart.“ Gemurmel bei den Umstehenden, das allerdings erstarb, als Campe seine Version des dramatisch aussehenden Gerangels in der 75. Minute darlegte.

Zeugen habe man, so Campe, Zeugen, deren Lauterkeit außer Zweifel stehe, weil sie Schiedsrichterobmänner aus Schleswig-Holstein seien, also ausgewiesene Fachleute, Zeugen, die gesehen haben, daß Kölns Tormann Jarecki zu Beginn der zweiten Halbzeit ein Glasfläschchen aus der Kabine mitgebracht und neben seinem rechten Torpfosten plaziert habe.

Nach dem Gerangel, eine Viertelstunde vor Spielschluß, habe der Keeper von Fortuna-Co- Trainer Epstein den Zuruf „Jaschek, jetzt“ erhalten, worauf Jarecki sich den Flachmann selbst an den Kopf gehauen haben soll.

Mit blutender Wunde lag er am Boden, das Publikum schloß messerscharf: Wenn der was aus der Kurve an den Kopf gekriegt hat, gibt's einen Kölner Protest auf Spielannullierung. Doch die Zeugen, so Campe, haben ihre Aussagen schriftlich hinterlegt. Gesehen haben wollen sie auch, daß Fortuna-Mäzen Jean Löring, branchenbekannt als allererster Möglichmacher des fortunischen Geldsegens gleichfalls ein Zeichen zur schauspielerisch inspirierten Selbstkasteiung gegeben haben soll. Gerd Roggensack, seines Zeichens Trainer der rheinischen Fortuna und nämlicher Jean Löring waren indes auskunftssfaul: „Wir wollen mal sachlich bleiben... Ich habe von meiner Position aus nichts gesehen... Wir müssen das alles nachher besprechen“, so Roggensack bedächtig.

Löring, ganz Unschuld vom Rhein, sprach nur matt von „Land der Fabelwesen“, aus dem die Vorwürfe gekommen sein müßten, war aber überhaupt nicht empört, schließlich hätten ihm einige Ordner gleich mitgeteilt, daß die Flasche von Kölner Fans geworfen worden sei. Auf Spielannullierung jedenfalls würden sie beim DFB nun nicht mehr plädieren. Der ganze Vorfall und die daran gekoppelte „Riesenschweinerei“ (Campe) komme aus dem „Reich der Unfairneß“ (Löring). Der DFB hat bislang noch nicht Stellung genommen. Der Schiedsrichterrapport wird erst heute in Frankfurt erwartet. Schwarzrock Uwe Kemmling: „Ich habe nur eine Flasche gesehen, mehr nicht. Und einen Torhüter, der am Boden lag mit einer Platzwunde.“ FC-St.-Pauli-Präsident Heinz Weisener: „Das wäre alles ein Skandal, und wir müssen überlegen, ob wir nicht doch noch an den DFB herantreten.“ Jan Feddersen