Frankreichs Regierung schäumt gegen EG-Veto

Paris/London (dpa/ap/taz) — Frankreich fordert, daß Brüssel sein jüngstes Veto gegen den Kauf der kanadischen Flugzeugfirma De Havilland durch ein französisch-italienisches Unternehmen zurücknimmt. Zugleich wurde am Samstag in Paris mit Empörung darauf hingewiesen, daß nun die britische Konkurrenz British Aerospace Absichten hege, das kanadische Unternehmen zu übernehmen.

Die Regierung in Paris verlangte in einer am Freitag abend verbreiteten Erklärung, daß die EG-Kommission für Wettbewerbsfragen „ihre Entscheidung in kürzester Zeit überdenkt“. Paris machte auch unmißverständlich klar, daß es die „vorgeschobenen Motive bestreitet“, mit der die Kommission unter Vorsitz des Britten Sir Leon Brittan die Entscheidung begründet.

Paris behalte sich vor, den europäischen Gerichtshof anzurufen. Außenminister Roland Dumas kündigte an, Frankreich werde „seine zur Verfügung stehenden Mittel nutzen“. Man wolle die Angelegenheit den EG-Partnern vorlegen. Derartige Entscheidungen sollten künftig „unter politischen und nicht nur juristischen“ Gesichtspunkten gefaßt werden.

Die EG-Kommission hatte den Kauf der Boeing-Tochter durch ATR (Avions Transport Regional) — beteiligt sind Aerospatiale (Frankreich) und Alenia (Italien) — abgelehnt, weil dies ihrer Ansicht nach die Konkurrenz auf dem Markt für Regionalflugzeuge beschränken würde. Die neue Gruppe würde die Hälfte des Weltmarktes für diese Maschinen und 67 Prozent des europäischen Marktes beherrschen.

Unter Verweis auf kanadische Zeitungsberichte hieß es in Paris, nunmehr habe der ATR-Konkurrent Britisch Aerospace Interesse an einer Übernahme von De Havilland gezeigt. Französische Zeitungen deuten an, EG-Kommissar Brittan habe ganz entscheidenden Anteil an der Entscheidung der Kommission gehabt. Mit neun von 17 Stimmen sei das Veto auch äußerst knapp gewesen.

British Aerospace (BAe) allerdings befindet sich selbst in finanziellen Schwierigkeiten und einer Vertrauenskrise, die letzte Woche in einer Welle von Spekulationen über die Zukunft des Rüstungs- und Technologiekonzerns mündete. Weil zugleich die Aktienkurse fielen, wurde spekuliert, die britische General Electric Company (GEC, nicht verwandt mit dem gleichnamigen US- Konzern) wolle BAe kaufen — womöglich sogar durch eine feindliche Übernahme. Die 'Financial Times‘ berichtete jedoch in ihrer Wochenendausgabe von einem Dementi der GEC.

Inwieweit sich das BAe-Management aber auf seine Aktionäre verlassen kann, wird sich am heutigen Montag zeigen. Dann müssen sie einem Kapitalbeschaffungsbegehren über umgerechnet mehr als 1,2 Milliarden DM zustimmen. diba