Mitteleuropa: Rein in den Westen

■ Bei einem Gipfeltreffen fordern die Staatschefs Ungarns, Polens und der CSFR ihre schnelle Einbindung in EG und Nato/ Unterstützung der EG-Initiativen in Jugoslawien/ Gegensätzliche Interessen

Krakow (afp/dpa) — Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei erinnern Westeuropa und die USA erneut an ihre Verantwortung gegenüber den ehemals realsozialistischen Ländern Osteuropas. Bei einer Gipfelkonferenz ihrer Staats- und Regierungschefs im polnischen Krakow wurde nicht nur scharfe Kritik an mangelndem wirtschaftlichen Engagement des Westens geübt, gefordert wurde außerdem eine schnelle Einbindung in sein politisches, wirtschaftliches und sicherheitspolitisches System. Polens Präsident Walesa in seiner Eröffnungsrede: Die Reformländer brauchen die Hilfe des Westens, „nicht um die Fabriken zu schließen, sondern um sie umzugestalten, damit sie produzieren und Arbeitsplätze geschaffen werden. Wenn es zu einer Katastrophe kommt, so schlägt das auf den Westen zurück.“

Als wichtigstes außenpolitisches Ziel wurde in einer gemeinsamen Erklärung der Abschluß der Assoziierungsverfahren mit der EG bezeichnet, in der Zukunft wolle man darüber hinaus jedoch die Vollmitgliedschaft in der Gemeinschaft anstreben. In diesem Zusammenhang sprachen sich die drei Staaten auch für ihre „unmittelbare Einbindung in die Tätigkeit der Nato“ aus. Begrüßt wurde der am 2. Oktober veröffentlichte deutsch-amerikanische Vorschlag, einen institutionellen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen dem nordatlanischen Bündnis und den osteuropäischen Staaten zu schaffen. Walesa: Wir brauchen diese Bindung an die Nato, damit wir uns sicher fühlen können.

Da Walesa aber gleichzeitig davon ausgeht, daß Sicherheitsgarantien der Nato für Osteuropa ausgeschlossen sind, schlug er die Bildung „internationaler Streitkräfte unter Schirmherrschaft der UNO“ vor.

Doch auch bei diesem dritten Gipfeltreffen der Reformstaaten blieben die Gegensätze nicht verborgen. Das Ausmaß der gewünschten Integration weist ein deutliches Nord-Süd- Gefälle auf. Polen will mehr, Ungarn weniger Kooperation, die CSFR scheint unentschlossen. Einerseits setzt Havel auf die Zusammenarbeit Mitteleuropas, anderseits fürchten Wirtschaftspolitiker beim Wettlauf um die Gunst der EG die Konkurrenz der Nachbarn. Auf dem Gipfel wurden daher auch keine neuen Ideen entwickelt, auf eine Wiederbelebung der stagnierenden Wirtschaftsbeziehungen wird weiter gewartet, die Bildung eines Drei-Parteien-Militärbündnisses ist kein Thema.

Zu einer gewissen Stärkung des Bewußtseins einer Interessengemeinschaft trug jedoch diesmal der Krieg in Jugoslawien bei. Angesichts der ständig wachsenden Gefahr einer regionalen Destabilsierung befürworteten die drei nicht nur eine Erhöhung der Zahl der Beobachter, sondern auch die Entsendung von internationalen Friedenskräften. her