CDU plante die Antiasyldebatte

Internes Papier gibt Einblick, wie alle CDU-Mandatsträger in die Kampagne gegen das Asylrecht eingespannt wurden/ „Machen Sie die Asylpolitik zum Thema“/ SPD soll vor Ort herausgefordert werden  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die Bonner CDU-Zentrale hat die parteipolitisch motivierte Kampagne gegen das Asylrecht seit Anfang September generalstabsmäßig inszeniert.

Am 12. September forderte Generalsekretär Volker Rühe alle Fraktionsvorsitzenden aus den Stadträten, Landtagen und Bürgerschaften auf, systematisch „die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPD dort herauszufordern“. Die SPD müsse gezwungen werden, so heißt es in dem der taz vorliegenden Brief, „jetzt Farbe [zu] bekennen“. Dem Brandbrief fügte Rühe Argumentationsleitfäden, Musterpresseerklärungen und standardisierte Parlamentsanträge und -anfragen bei, die alle das Ziel haben, das Thema im Sinne der CDU hochzupuschen. Die immergleiche Botschaft der christdemokratischen Parteizentrale: Eine grundlegende Verringerung der Asylanträge könne nur dann erreicht werden, „wenn das Grundgesetz geändert wird“. Weil die SPD sich aber ziere, müsse sie direkt vor Ort vorgeführt werden. „Die Verweigerung der SPD treffe“, so Rühe, „insbesondere die Kommunen, die für die Unterbringung des Asylbewerber zu sorgen haben. In den Städten und Gemeinden artikuliert sich in der Bevölkerung auch am ehesten Unmut und mangelnde Akzeptanz des praktizierten Asylrechts.“ An diese Emotionen, so Rühes Aufforderung, müsse die CDU anknüpfen. Wie das zu geschehen habe, teilte Rühe seinen christlichen Parteifreunden im Detail mit. „Der Rat der Stadt ... stellt fest, daß eine weitere Aufnahme von Asylbewerbern aus Ländern, in denen eine Verfolgung nicht stattfindet, unterbunden werden muß. Eine weitere nennenswerte Zuweisung von Asylbewerbern ist für die Stadt ... nicht mehr verkraftbar.“ Die Kommunalpolitiker brauchen nur noch den Namen ihrer Stadt anstelle der Pünktchen einzufügen.

Mit den von Rühe gelieferten Musteranfragen wird offen an die Neid- und Konkurrenzgefühle der zu kurz gekommenen Deutschen angeknüpft: „Sind Asylbewerber in Hotels oder Pensionen untergebracht worden? Für welchen Zeitraum? Zu welchen Kosten? Welche Auswirkungen hatte die Belegung von öffentlichen Einrichtungen mit Asylbewerbern auf die bisherigen Benutzer/Besucher?“ Mit solchen Fragen — dazu zählt auch die nach der Anzahl der Fälle, „in denen Asylbewerber staatliche Leistungen unberechtigterweise mehrfach in Anspruch genommen haben“ — sollen die Christdemokraten die Verwaltungen bombardieren und vor Ort die Stimmung anheizen. Daß nicht zuletzt durch diese eiskalt inszenierte Asyldebatte die radikalen Ausländerhasser ermuntert wurden und werden, nun selbst mit Brandflaschen zur Tat zu schreiten, steht für viele Kenner der Täterszene außer Frage.

Vor dem Hintergrund der Rühe- Papiere wird auch klar, wieso die CDU/CSU-Spitzenpolitiker während ihrer Klausurtagung am Wochenende so rüde über Bundespräsident von Weizsäcker hergefallen sind. Weizsäcker hatte am Freitag anläßlich seines Besuches von Flüchtlingsheimen darauf hingewiesen, daß eine Verfassungänderung nicht zur Lösung des Flüchtlingsproblem beitragen und die Zuwanderung nicht aufhalten könne. Das genaue Gegenteil behauptet Rühe in seinen Papieren an die Fraktionsvorsitzenden. Für die CDU sei die Grundgesetzänderung „unerläßlich“. Genau darauf fußt die Kampagne.