Grünes Licht für Ampelkoalition

■ Lothar Probst (Grüne) plädiert für einen Bremer Kompromiß mit der FDP

Timothy Garton Ash hat sein Buch über die Entwicklungen in Osteuropa mit dem Titel versehen: Ein Jahrhundert wird abgewählt. Auf Bremer Verhältnisse uminterpretiert kann man sagen: Der sozialdemokratische Absolutismus von zwei Jahrzehnten wurde in Bremen abgewählt.

Die Erschütterungen, die das Wahlergebnis ausgelöst hat, müssen in ihrer vollen Tragweite erst noch begriffen werden. Nicht nur in der SPD, sondern auch in Teilen der Opposition hat das Ergebnis Verwirrung ausgelöst. In Bremen haben alle politischen Kräfte das Machtmonopol der SPD so sehr verinnerlicht, daß man sich auf die Chancen einer vollkommen veränderten politischen Landschaft gar nicht so schnell einstellen kann.

Die jetzige Situation einer „neuen Unübersichtlichkeit“ erfordert politische Weitsicht und Fingerspitzengefühl. Das ausgezeichnete Wahlergebnis für die Grünen signalisiert, daß das ökologische Potential in Bremen erwartet, daß die Grünen ihre Prozente auch in Regierungsbeteiligung umsetzen. Rein rechnerisch reicht es für die bevorzugte politische Option: Rot-Grün. Das Wahlergebnis spricht trotz der knappen Mehrheit eine andere Sprache. Der SPD ist im Prinzip nicht nur das Machtmonopol, sondern auch das Vertrauen für eine Regierungsbildung entzogen werden. Die Oppositionsparteien hätten rein theoretisch zusammen die Chance, eine neue Regierung zu bilden. Das dieses Modell ausscheidet, braucht nicht weiter begründet zu werden.

Rot-Grün allein stünde auf schwachen Füssen

Das Wahlergebnis hat gleichzeitig deutlich gemacht, daß sich in der Stadt zwei gleich große Lager gegenüberstehen: das eine Lager traut einer rot-grünen Regierung keinen fundamentalen Wandel der Politik zu, das andere Lager will aus ökologischer Perspektive eine rein sozial-wirtschaftsliberale Politik verhindern. Eine rot- grüne Koalition mit einer abgewirtschafteten und erschütterten SPD stünde von Anfang auf schwachen Füssen. Für einen politisch notwendigen Neuanfang, der eine grundlegende Korrektur bisheriger Senatspolitik und ein Aufräumen mit den Filzstrukturen bewerkstelligt, reicht die Schubkraft der Grünen alleine nicht aus. Es besteht die Gefahr, daß ein rot-grüner Senat als Fortsetzung bisheriger SPD-Politik mit anderen Mitteln in der Öffentlichkeit angesehen wird. Die erste Konsequenz für die Grünen aus dieser Erkenntis sollte sein, daß wir in aller Schärfe und Deutlich

hier die

Zeichnung rein

keit klar machen müssen, daß mit den Grünen eine Fortsetzung bisheriger SPD-Politik nicht zu machen ist. Von der SPD müssen deutliche Signale einer Erneuerung an „Haupt und Gliedern“ kommen. Das bedeutet, daß wir auch die personalpolitische Diskussion in der Frage möglicher Senatoren oder Senatorinnen von Anfang an in Richtung Nicht-Parteimitglieder öffnen müssen.

... aber sind die Grünen politisch reif für den Kompromiß mit der FDP?

Die zweite Konsequenz ist die Frage, ob wir die politische Reife und Souveränität für eine Ampelkoalition besitzen. Trauen wir uns zu, die drei großen strategischen Orientierungen - sozial - liberal - ökologisch - in einer Koalition miteinander zu verknüpfen? Dies wäre die eigentliche Herausforderung und das Wagnis nach dieser Wahl. Die Gefahren liegen auf der Hand, die programmatischen Konflikte sind vorgezeichnet. Dieses Bündnis dürfte nicht so angelegt sein, daß die SPD ihre beiden Koalitionspartner gegeneinander ausspielt, sondern FDP und Grüne müßten in einer Art flankierender Zangenbewegung die SPD unter Druck setzen können, um ein Aufbrechen der ver

krustenden politischen Strukturen in Bremen zu erreichen. Mir ist bewußt, daß dies voraussetzt, daß vor allem Grüne und FDP Kompromißfähigkeit zeigen und miteinander ins Gespräch kommen, sonst kann man diese Option von vorneherein vergessen. Die FDP muß davon ausgehen können, daß SPD und GRÜNE ihre rein rechnerische Mehrheit in solch einer Koalition nicht ausnutzen, um in strittigen Fragen eine Mehrheitsposition gegen den erklärten Willen der Liberalen durchzusetzen, auf der anderen Seite darf die FDP ihren Minderheitenstatus nicht einfach als Blockadepolitik mißbrauchen. Was meiner Meinung nach also ansteht, ist eine Abkehr von der Fixierung auf Koalitionsverhandlungen, die von der SPD ausgehen, sondern es müssen vor allem weitere Sondierungsgespräche zwischen Grünen und FDP stattfinden. In einem Knackpunktkatalog müßte ausgelotet werden, wo die jeweilige Kompromißbereitschaft liegt. Wer die Ampelkoalition als eine mögliche Option von Anfang an ausschließt, arbeitet einer großen Koalition in die Hände. Nölle-Neumann winken mit dem großen Geld aus Bonn, um für Teile der SPD auch eine große Koalition attraktiv zu machen. Erste Vorstoße in diese Richtung aus den Reihen der SPD liegen bereits auf dem Tisch. Wer verhindern will, daß diese Option „aus den Sachzwängen heraus“ auch unter den SPD-Mitgliedern als kleineres oder notwendiges Übel verkauft wird, tut gut daran, die Ampel auf grün zu schalten.

Der Autor, Lothar Probst, ist derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bremen. Er war Vorstandssprecher der Grünen