Profilierungssüchtig-betr.: "Ost-Bezirke sollen Straßen umbenennen", taz vom 1.10.91

betr.: »Ost-Bezirke sollen Straßen umbenennen«, taz vom 1.10.91

Herr Verkehrssenator Haase hat anscheinend den nachvollziehbaren Drang, sich zu profilieren. Doch leider versucht er es ein ums andere Mal auf immer unsinnigere Weise. [...]

Die neueste Nachricht aus dem Hause Haase dreht sich um Straßennamen in Ost-Berlin, die er gerne baldigst umbenannt sehen möchte. Dabei kommen mir einige Fragen:

1.Warum nur kümmern sich Herr Haase und noch viele andere aus dem Westteil der Stadt ausschließlich um Straßen im Ostteil? Auch in West-Berlin gibt es genügend aufzuräumen und das schon seit über 40 Jahren! Herausragendes Beispiel ist das berühmt-berüchtigte Fliegerviertel in Tempelhof, dessen Straßen von den Nazis nach Flieger»helden« des Ersten Weltkrieges benannt wurden. [...]

2.Herr Haase möchte den Bersarinplatz in Baltenplatz benannt haben. Will er den ehemaligen Baltenplatz, jetzt Katikowplatz nicht umbenannt wissen, oder traut er sich nicht, den Wunsch nach einem Herwig-Haase-Platz zu veröffentlichen?

3.Im Hause Haase scheint es derzeit keine wichtigeren Dinge zu geben, als Namensgebungen. Auf ein umfassendes Verkehrskonzept für das gesamte Berlin wartet die Stadt seit Haases Amtsantritt vergeblich. Statt dessen beglückt sie der Verkehrssenator mit einer Fehlentscheidung nach der anderen: Einschränkung von Busspuren, Aufhebung von Tempo-30-Zonen, Freigabe der Havelchaussee für den Autoverkehr, Durchfahrt des Brandenburger Tores für Autos, Privatisierung von BVG-Linien. Es ist schon erstaunlich, welche Schnelligkeit die Herrn Haase unterstellte Senatsverwaltung bei der Bearbeitung dieser Probleme vorlegt. Ganz anders dagegen reagiert sie auf die Pläne der Ostberliner Bezirksämter zur Schulwegsicherung. Statt in der besonderen Situation einer völligen Schulumstrukturierung besondere Maßnahmen zu ergreifen, wird alles auf die bekannte, lange, bürokratische Bank geschoben. [...]

Es ist »den Berlinern nicht verständlich zu machen«, wie lange noch die Haasesche Windschutzscheiben-Politik ihr Unwesen treiben soll. Wenn Herr Haase mit den aktuellen Aufgaben als Verkehrssenator nicht zu Rande kommt, sollte er schleunigst dieses Amt einer/einem Fähigeren überlassen, damit endlich etwas für die Stadt und ihre BürgerInnen geschieht. Rainer Schöbel, 1055 Berlin