Alte Linie mit Weichspüler-betr.: "Drei RAf-Gefangene im Hungerstreik", taz vom 24.9.91

betr.: „Drei RAF-Gefangene im Hungerstreik“, taz vom 24.9.91

Wenn jetzt die drei Celler RAF-Gefangenen Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer und Knut Folkerts in einem rot-grün regierten Bundesland für Selbstverständlichkeiten einen befristeten Hungerstreik aufnehmen müssen, zeigt dies einmal mehr, daß die herrschenden Eliten in dieser Republik einfach nicht zu politischen Lösungen fähig sind. Seit drei Jahren fordern die Gefangenen aus der RAF die Möglichkeit zur politischen Diskussion mit der Linken mit dem Ziel der Neuorientierung revolutionärer Politik. Es ist geradezu absurd, wie das unmißverständliche Anliegen der Gefangenen vom Staatsschutzapparat permanent verdreht und gegen sie gewendet wird — die Medien spielen in der Regel mit. Die seit 20 Jahren bekannte Antwort: Entweder abschwören, oder die Gefangenen werden weiter „schockgefroren“, wie es die 'SZ‘ mal kommentierte.

Das rot-grüne Niedersachsen läßt sich seit Monaten kaum widerstrebend die Politik von der Bundesanwaltschaft aus der Hand nehmen. Die angekündigte Gruppenerweiterung um Rico Prauss und Christian Kluth war nach der Desinformationskampagne vom Tisch, konkrete Initiativen zu Gruppengesprächen wurden administrativ abgewürgt. Das „genehmigte“ Radio-Interview ohne O- Ton bringt hier ein Faß zum Überlaufen. Von Gefangenen, die seit 14 und 16 Jahren unter härtesten Bedingungen ihre Identität bewahrt haben, zu verlangen, ihre Stimme an einen bezahlten Rundfunksprecher abzugeben, ist die alte Linie mit Weichspüler.

Vermutlich ist es illusorisch, von EntscheidungsträgerInnen in Staat und Gesellschaft eine Rückkehr zur Politik zu erwarten. Die Reaktionen auf den Terror des präfaschistischen Mobs gegen Nichtdeutsche zeigen dies auf einem anderen Feld in aller Deutlichkeit. R.Rohde, Celle