Alarmbereitschaft zum Massaker-Jahrestag

Tel Aviv (taz) — Polizei und Armee in Jerusalem und in den besetzten Gebieten sind bis zum Wochenende in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden, um palästinensische Demonstrationen und eventuelle Racheakte am Jahrestag der Erschießung von mindestens siebzehn Palästinensern auf dem Ostjerusalemer Tempelberg (Haram al-Sharif) zu verhindern. PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten ist der Besuch der Stadt seit Montag untersagt. Teile der Westbank wurden zu geschlossenen Militärzonen erklärt. Die Übergänge zwischen Israel und den besetzten Gebieten stehen unter strengster Militärkontrolle, so daß nur vereinzelt palästinensische ArbeiterInnen aus den besetzten Gebieten nach Israel gelangen können.

Die sogenannte „Filteraktion“ wurde auch auf den Gaza-Streifen ausgedehnt. Über das Flüchtlingslager Jabalya wurde eine Ausgangssperre verhängt, nachdem dort in der Nacht auf Dienstag ein „gesuchter Terrorist“ von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurde.

In Jerusalem selbst wurde der Zutritt zu den Moscheen auf dem Haram al Scharif nur einigen Familienmitgliedern der vor einem Jahr Getöteten und einer von den Sicherheitsbehörden ausgewählten kleinen Gruppe älterer Muslime gewährt. Die Straßen Ost-Jerusalems sind durch patroullierende israelische Truppen, Grenzpolizisten, Militäreinheiten, Zivilschutz und Sondereinheiten zur Bekämpfung des Terrorismus quasi besetzt.

Adnan Husseini, verantwortlich für die Angelegenheiten der islamischen Heiligtümer in Ost-Jerusalem, erklärte, die Palästinenser selbst würden keine Racheakte oder Provokationen dulden: Wie vor einem Jahr sei auch heute die israelische Besatzungsmacht verantwortlich für die Vorgänge.

Seit gestern befindet sich die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten in einem 48stündigen Generalstreik, um des Massakers vom 8.10.90 zu gedenken, bei dem auch 200 Personden verletzt wurden. An gestrigen „Tag des palästinensischen Märtyrers“ fanden Gottesdienste sowie Besuche bei den Familien der Opfer des Tempelberg- Massakers statt. Ein besonderer Gottesdienst des Gedenkens wurde nachmittags in der Al-Aqsa-Moschee in der Jerusalemer Altstadt zelebriert. Der heutige Generalstreik gilt dem Beginn des 47. Monats des palästinensischen Aufstands. In ihrem neuen Flugblatt Nr.75 rief die Vereinte nationale Führung der PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten auch zu einer Intensivierung der Intifada, vor allem in der ersten Oktoberhälfte, auf. Damit soll demonstriert werden, daß der Aufstand weitergeht, „bis wir unsere nationalen Forderungen verwirklicht haben“. Das neue Flugblatt ist den „Märtyrern der Al-Aqsa Moschee“ gewidmet. Amos Wollin