„Wieso hauen die die Italiener?“

Seit deutsche Neonazis drei Italiener im Saarland tätlich angegriffen haben, geht eine Welle der Empörung durch Italien  ■ Aus Rom Werner Raith

Den Vogel schoß, wie bei solchen Sachen üblich, das ehemalige Sprachrohr des Proletariats ab: 'L'Unitá‘, Organ der neuformierten „Partei der demokratischen Linken“, ehemals KPI, widmet den gesamten Mittelteil ihres Titels den Teutonen: „Raus mit Flüchtlingen, Deutschland den Ariern“ prangt da. Unterzeile: „Nach Asiaten und Afrikanern geht es nun auch gegen unsere Emigranten“.

Daß die Skinheads diesmal drei Italiener verprügelt haben und nicht Türken, Afghanen, Pakistani oder Tunesier, scheint den Schreibern im Süden derart abstrus, daß sie dem nur durch grelle Aufmacher Herr werden können. Nicht eine Zeitung, die den Vorfall nicht auf ihrer ersten Seite meldete, das staatliche Fernsehen brachte die Nachricht am Abend als zweite Topmeldung, gleich hinter dem Krieg in Jugoslawien.

Nicht daß Italiens Medien und Politikern der Ausländerhaß in Deutschland entgangen wäre. Im Gegenteil: gerne und breit berichteten die Zeitungen und Fernsehanstalten über verwüstete Emigrantenheime und rassistische Sprüche. Doch fast immer entstand der Eindruck, daß den Südleuten derartige Barbareien gar nicht so unwillkommen sind. Schließlich dient der Hinweis auf Schläge gegen Zugewanderte in anderen Ländern als eine Art Entschuldigung, mitunter gar Rechtfertigung für ähnliche Vorfälle im eigenen Land. Mehr als zwei Dutzend Personen wurden in den letzten drei Jahren in Italien aus rassistischen Gründen getötet.

Solange es gegen die „anderen“ ging — jene, die auch in Italien eine Art Freiwild sind — hatten die Artikel abstrakten Charakter: Die Erscheinung wurde als Zeittendenz gehandelt. Daß Deutsche vornedran waren, bot ein herrliches Versteck. In der letzten, noch vor den Angriffen auf die drei Italiener in Hochheim und Ensdorf bei Saarlouis gedruckten, Ausgabe der beiden größten politischen Nachrichtenmagazine Italiens wurde die deutsche Xenophobie entweder als ein Phänomen in ganz Europa auftauchender Chauvinismen interpretiert ('L'Espresso‘) oder als Rückkehr nazistischen Gedankenguts, vor allem im Bereich des ehemaligen Ostblocks ('Panorama‘).

Gesamttendenz: nicht sehr schön, aber verständlich und fast schon so etwas wie konsequent.

Doch diese Deutung ist nun total gekippt: Die Kommentare schwanken zwischen Ratlosigkeit und offener Feindschaft. Wie kann man nur Italiener als Ausländer ansehen? Der Aufschrei einer Deutschen am Strand von Rom „Wieso hauen die die Italiener? Das sind doch auch Christen“ erzeugt nachdrückliches Kopfnicken bei den Italienern.

Das italienische Fernsehen heizte jedenfalls kräftig an. Es übertrug einen Besuch von Deutschlandkorrespondent Salvo Mazzolini am Krankenbett eines der Angefallenen — wobei man kaum etwas von der Erzählung des Mannes mitbekam, wohl aber minutenlang die Intervention einer Krankenschwester anzusehen hatte, die von der Fernsehcrew lediglich wissen wollte, ob sie eine Drehgenehmigung hatten (was nicht der Fall war) und wer sie denn eigentlich seien. Das Ganze war so präsentiert, als sei dies bereits die Fortsetzung des rassistischen Überfalls mit anderen Mitteln (zum Vergleich: der taz- Korrespondent wurde schon bei wesentlich harmloseren Anlässen, etwa vor einem Kloster nahe Rom, von Carabinieri arretiert).

Auf diese Weise werden die deutschen Vorfälle in Italien kaum zu etwas anderem führen als zum Lamentieren über die bösen Nachbarn. Daß Ausländerfeindlichkeit sich ausschließlich gegen Zuwanderer aus extrakommunitären Ländern richten würde, scheint so ausgemacht gewesen zu sein, daß die Angriffe gegen Bürger aus der EG nun allenfalls als neuer Ausfluß großdeutscher Bösartigkeit deutbar erscheinen.

Dabei müssen die Italiener für derlei Vorfälle nur mal ins eigene Haus gucken: Vier der aus rassistischen Gründen getöteten Menschen waren Italiener — in den Norden emigrierte Sizilianer oder Kalabresen, die von Mailändern, Piemontesen oder Veronesern totgeschlagen worden sind.