■ NEUES VOM KINO
: Mad Max als Hamlet und anderes

Daß der treudeutsche Durchschnittsdeutsche pro Jahr nur 12,20 DM fürs Kinogehen ausgibt, spricht nicht für ihn — auch nicht fürs Filmland Deutschland. Und genauso selten, wie der Deutsche ins Kino geht, kommt der deutsche Film ins Kino. Die ehemaligen Defa-Filmer wickeln derzeit ihre Vergangenheit ab, jämmerlich, weinerlich und zumeist verlogen. Frank Beyers Der Verdacht ist eine Ausnahme und eine Liebesgeschichte: unsentimental, so gar nicht sozialistisch-nostalgisch erzählt der Film von einer Liebe trotz Familie und Stasi. Er zeigt den vermeintlichen Rückzug ins Private nicht als innere Emigration, sondern als Angriff.

Jeder dahergelaufene Schauspieler äußert es als seinen penetranten Wunsch, doch einmal Hamlet spielen zu können. Mel Gibson darf nun Hamlet sein, Glenn Close seine Mutter Gertrud. Der Regisseur der großen Gesten, Franco Zefirelli, hat die hübschen Shakespeare-Zitate sehr englisch kühl, aber in malerisch robuster Kulisse verfilmt. »Im Kino kann man mit einer einzigen Einstellung oft so viel erzählen, daß Shakespeares Worte überflüssig werden«, weiß Zefirelli — daran gehalten hat er sich nicht, und wenn Mel Gibson seine Hamletschen Monologe redet, klingt das nicht, als sei's ein Stück von seiner Seele.

Seine Seele an Hollywood verkauft zu haben glaubt der kleine Stückeschreiber Barton Fink. Barton Fink ist das neue geniale Kinostück des Regie führenden Bruderpaares Joel und Ethan Coen (Blood Simple, Arizona Jr., Millers Crossing). Coens Film ist eine ätzende Attacke auf den lächerlichen Intellektuellen mit seinen hehren Idealen und seiner Unfähigkeit, die Realität wahrzunehmen. Die Filme der Coens sind immer gegen den Strich gebürstet, verwirren aufs Hinterhältigste die eingeguckten Sehgewohnheiten der Zuschauer, sie legen falsche Fährten und spielen mit der ewigen Sucht des Kinogängers nach einem Halt in der Story. Barton Fink ist ein Film gegen die klaren Verhältnisse. In Cannes bei den Filmfestspielen wurde Barton Fink mit drei Preisen belohnt: Beste Regie, Bester Film, Bester Hauptdarsteller: John Turturro ist Barton Fink. Mel Gibson will mit Hamlet nicht mehr Mad Max sein, und der kleine große Schauspieler Michael J. Fox nicht ewig zurück in die Zukunft. Eher vorwärts in die Vergangenheit, und als hätten die großen Hollywood-Komödienregisseure Pate gestanden, hat der Scandal-Regisseur Michael Caton-Jones Doc Hollywood inszeniert.

Ein Arzt (M. J. Fox) landet versehentlich in einem Kaff, will da wieder raus, findet die wahre Liebe und Gefallen am einfachen Leben. Das klingt kitschig, das ist es auch, doch die sehr englische Ironie und der britische Bitterhumor des englischen Regisseurs machen Doc Hollywood zu einem hinreißenden Kinovergnügen mit zum Verlieben selbstverliebter Kamera. reve