Betätigt sich Pieroth als Preistreiber?

■ Wirtschaftssenator Meisner attackiert Finanzsenator Pieroth/ Pieroth konterkariere Begrenzung der Gewerbemieten/ Finanzverwaltung rief Bezirke auf, für Senatsimmobilien Marktmieten zu verlangen

Berlin. Treibt Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) die Gewerbemieten in die Höhe? Diesen Verdacht hegen nicht nur die CDU-Wirtschaftsstadträte in den Westberliner Bezirken, sondern auch Wirtschaftssenator Norbert Meisner (CDU). Ihr Ärger entzündet sich an einem Rundschreiben, das die Senatsfinanzverwaltung am 11. September an die Wirtschaftsstadträte der zwölf Westberliner Stadtbezirke schickte. Die Stadträte werden darin aufgefordert, die Mieten und Pachten für die Nutzung von landeseigenen Grundstücken »marktgerecht« zu gestalten. Unter Berufung auf einen Sparbeschluß des Senats bittet die Behörde darum, bestehende Miet-, Pacht- und Nutzungsverhältnisse »hierauf zu überprüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen«. Wirtschaftssenator Meisner reagierte gestern in ungewohnt scharfer Form auf den Pieroth- Rundbrief. Der Finanzsenator setze sich mit dem Rundschreiben an die Bezirke nicht nur »in Gegensatz zu seinen eigenen Erklärungen«, sondern auch »in Gegensatz zum Senat und den ihn tragenden Parteien«, sagte Meisners persönlicher Referent Lothar Stock auf taz-Anfrage. Dies habe Meisner seinem Senatskollegen gestern auch brieflich mitgeteilt und ihn aufgefordert, das Schreiben zurückzuziehen.

Stock erinnerte daran, daß sich die Senatskoalition zur Zeit um eine gesetzliche Regelung bemühe, um den Gewerbemietenanstieg zu begrenzen. Der in dem Pieroth-Brief zitierte Senatsbeschluß sei dagegen nur ein »Prüfauftrag« gewesen. Wirtschafts- und Finanzverwaltung hätten sich erst kürzlich schriftlich darauf »verständigt«, die Mieten landeseigener Immobilien »am unteren Rand der ortsüblichen Mieten« zu belassen, um auf diese Weise den Preisanstieg zu dämpfen. Ähnlich verfahre der Senat im übrigen auch beim Verkauf landeseigener Grundstücke, was ihm in den Fällen Daimler-Benz und Sony ja auch heftige Kritik eingetragen habe.

Pieroths Rundschreiben »konterkariert die Senatspolitik in Sachen Gewerbemieten«, schimpfte gestern auch der Charlottenburger Wirtschaftstadtrat Helmut Heinrich (CDU). Der Finanzsenator müsse seine Politik an diesem Punkt »überdenken«, meinte Heinrich. Diese Forderung würden die Stadträte heute auch bei einem Treffen mit Pieroth vortragen. Der Sprecher des Finanzsenators, Thomas Butz, sprach von einem Mißverständnis. Der Brief sei »falsch interpretiert worden«. Das Schreiben habe lediglich das Ziel, wie dort auch erwähnt, »verdeckte Subventionierungen durch kostenlose Überlassung oder ermäßigte Entgelte« zu beenden. Subventionen sollten statt dessen als »Zuschüsse aus dem Landeshaushalt offen ausgewiesen werden«.

Meisner-Referent Stock ließ sich mit dieser Antwort gestern nicht zufriedenstellen. Für die Subventionierung von Gewerbemietern gebe es »weder eine rechtliche Grundlage« noch »einen Topf« mit den nötigen finanziellen Mitteln. Die Senatsfinanzverwaltung habe überdies »offensichtlich nicht begriffen, was Preisdämpfung bedeutet«. Es gehe nicht um eine Bezuschussung einzelner Mieter, sondern darum, »daß das Gesamtniveau der Gewerbemieten niedrig bleibt«. hmt