: Medienverflechtungen
Österreichs Nachrichtenmagazin 'profil‘ streikte ■ Von Falk Madeja
„Wenn's mal drei Monate keinen 'Spiegel‘ gibt, wird Deutschland auch überleben“, meinte jüngst ein Wiener Verlagsmanager. Dieses Zitat läßt sich auch auf das österreichische 'Spiegel‘-Pendant, das Nachrichtenmagazin 'profil‘, übertragen: Etwa zwei Wochen lang streikten die Mitarbeiter des 'trend‘/'profil‘-Verlages. Dort erscheint 'profil‘ gemeinsam mit dem Wirtschaftsmagazin 'trend‘. Zwei Ausgaben von 'profil‘ — nach Ansicht von Wiens konservativer Zeitung 'Die Presse‘ eben „so gut, so unbestechlich, so gefürchtet, so bedeutend wie der 'Spiegel‘“ — lagen deshalb am verkaufsüblichen Montag nicht auf den Ladentischen. Dies brachte nicht nur den Verlegern einen Schaden in Höhe von satten 12 Millionen Schilling (etwa 1,7 Millionen Mark) ein, sondern kostete auch die Redakteure ihre jährliche Gewinnbeteiligung.
Gemeinsamkeiten zwischen dem deutschen und österreichischen Medienmarkt beschränken sich auf Sprache. Österreichs sechs Millionen Einwohner haben immer noch ein öffentlich-rechtliches Fernseh- und Radio-Monopol. Von den 16 Tageszeitungen geht es nur einer nicht (hunds)miserabel: Die kleingeistformatige 'Kronen-Zeitung‘, mit einer beängstigenden 1,5-Millionen-(Trivial-)Auflage (übrigens: ein Pro-Kopf-Weltrekord), hat auch mit dem 'profil‘-Blatt etwas zu tun: denn nahezu alles Gedruckte hängt im Zuge der Medienverflechtung mit der 'Krone‘ zusammen.
Die wichtigsten medialen Wege führen zu einem eigenartig verschachtelten Gebilde, das kurzerhand „Kro-Ku-Waz“ (Abkürzungen für 'Krone‘, 'Kurier‘ und 'Westdeutsche Allgemeine‘) genannt wird. Der 'Kurier‘ ist die zweitstärkste Massenzeitung, über eine 45prozentige Beteiligung ist der keinem Streit ausweichende 'WAZ‘-Konzern aus deutschen Landen beteiligt. Der 'profil‘/'trend‘-Verlag gehört nun wieder der Zeitschriften-Verlagsbeteiligungs-AG (ZVB), die eine 100prozentige 'Kurier‘-Tochter ist. In der ZVB erscheinen obendrein Konkurrenzmagazine wie 'Wochenpresse‘, 'Basta‘ und 'Rennbahn-Express‘. Bislang galt als Faustregel, die „Kro-Ku-Waz“ habe sich nicht in die redaktionellen Belange einzumischen. Doch Ende August sollte 'profil‘-Herausgeber Peter Rabl in den Vorstand der Zeitschriftenholding ZVB berufen werden. Für „unmöglich“ hält das die Redaktion, die redaktionelle und wirtschaftliche Belange getrennt sehen will und ihre redaktionelle Unabhängigkeit in Gefahr glaubt. Bislang bekamen die Redakteure die jeweiligen Inserate erst am Erscheinungstag zu sehen, so daß 'profil‘ nach Journalisten-Herzenslust in den österreichischen Sümpfen herumstochern konnte.
Das meist etwa hundert- und mehrseitige 'profil‘ thematisiert überwiegend die österreichische Politik und Wirtschaft. Bundeskanzler, Verkehrspolitiker, Rechtsaußen wie Jörg Haider, Spekulanten, Krankenhausmanager usw. eint deshalb die kollektive Montagsfurcht. Für 'profil‘ schreiben auch in Deutschland bekannte Autoren wie Sigrid Löffler (Literarisches Quartett) und Günther Nenning. Manfred Deix liefert Karikaturistisches. Die Auflage liegt etwa bei 70.000. Vor einigen Wochen gelang es dem Blatt erstmals in seiner zwanzigjährigen Geschichte, mit einem witzigen Titelbild 100.000 Exemplare zu verkaufen.
Die zweiwöchige Nulldiät kam zustande, weil die „Kro-Ku-Waz“- Manager die Reaktion der Redakteure unterschätzt hatte. Sich von den Monopolisten „disziplinieren, knebeln, gängeln lassen“ — so die 'Presse‘ — wollte keiner der profilierten Journalisten.
Zuerst sollte Rabl, Schwiegersohn des ORF-Intendanten Bacher und Ehemann einer der wichtigsten ÖVP-Politikerinnen, Helga Rabl- Stadler, zurücktreten. Schließlich war klar, daß das 'Profil‘ in dieser Verlagsschachtel nicht mehr bleiben könne. Die Summe von 500 Millionen Schilling (etwa 70 Mio. DM) stand als Verkaufspreis für den 'trend‘/'profil‘-Verlag im Raum. Doch das konnte nicht ernst gemeint sein: Höchstens 300 bis 400 Millionen Schilling sei der 'trend‘/'profil‘- Verlag samt seiner Liegenschaften in der Marc-Aurel-Straße in Wiens 1. Bezirk wert, meinen die Mitarbeiter von Redaktion und Verlag.
Seit Mittwoch (dieser Woche!) verhandelt man nun darüber: Zunächst mit der ZVB, doch auch Verlage aus Österreich und Deutschland sowie teilweise die Mitarbeiter selbst haben Interesse an dem aus der „Kro- Ku-Waz“ ausgeklinkten Verlag. Herausgeber Rabl wird nun erst einmal für drei Monate beurlaubt. Bis eine endgültige Lösung gefunden wird, heißt es.
In der nächsten Woche erscheint nun wieder das 'profil‘, diesmal sicher mit einer verstärkten Auflage. Vor allem haben die Streikmutigen erreicht, daß Österreichs medialer Gigant „Kro-Ku-Waz“ selbst etwas mehr in die schlafende Öffentlichkeit gekommen ist. Und das auch im Ausland. „Der Fall 'profil‘-Rabl hat erstmals einen massiven Druck in Richtung Enflechtung des Medienkonzerns gebracht“, sagt Franz C. Bauer, Präsident der Journalisten- Gewerkschaft.
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