Vom Nachttisch geräumt: Witzblätter

Im September 1854 erschien eine Probenummer der Zeitschrift 'Neuer Berliner gemüthlicher Krakehler‘. Ein programmatischer Titel. Darunter stand die Zeile: „Parole: Krakehl. Feldgeschrei: Witz. Losung: Geld.“ Man könnte schon über diese beiden Zeilen ganze Abhandlungen schreiben, die auf die spezifische Berliner Mischung hinweisen, die rabiate Art vaterländisch erregter, martialer Lachlust. Ein Humor, bei dem das Säbelrasseln nie zu überhören ist.

Freilich, das Blatt lag falsch. Schon im Juni 1855 gab es wie so viele andere vor ihm seinen Geist auf. Von den zig Blättern der Revolutionszeit überlebte einzig und allein der 'Kladderadatsch‘. Er steht im Zentrum der ausführlichen, reich illustrierten Geschichte der illustrierten politischen Witzblätter Berlins von Ursula E. Koch. Sie befaßt sich mit den Jahren von der Märzrevolution bis zu Bismarcks Entlassung. Knapp ein halbes Jahrhundert also. Sie beschreibt die Zeitschriften, ihre Autoren und Zeichner, ihre Verleger und Leser. Die umfangreichste Studie zum Thema. Eine Fundgrube. Keine vergnügliche Lektüre. Die Witze von früher bringen uns selten zum Lachen. Meist stellt ein Grausen sich ein. Wir wissen zu genau, wohin so mancher Biedersinn geführt hat.

Ursula E.Koch: Der Teufel in Berlin . ilv, informationspresse c.w. leske verlag, 880 Seiten, über 550 Abbildungen, 98 DM.