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Benefizspiel für verletzte Nationalelf

■ Der Weltmeister BRD besiegte im Namen des Kinderhilfswerks Unicef eine FIFA-Auswahl mit 3:1 Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme verlängerten die Krankenliste der deutschen Edelkicker

Münchner Olympiastadion (taz) — Der Zweck heiligt die Mittel, sagt man, die gute Tat offenbar den Kitsch. Das Benefizspiel zwischen einer Weltauswahl und der bundesdeutschen Nationalelf zugunsten des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) war umrahmt von einem Programm, das süßlich-geschmackloser nicht hätte sein können: Musik aus der Dose, hüpfende Kinder und Fahnen, alles schön durcheinander organisiert. Lediglich das leidige Abspielen der Nationalhymne fiel weg. Dabei war der Zweck der Gala-Kickerei wirklich annehmbar. Der Ertrag des Spiels fließt in ein weltweites Impfprogramm für Kinder. Über drei Millionen Mark kamen durch den Verkauf der Fernsehrechte in 35 Länder, durch Werbung und Zuschauereinnahmen in die Kasse. Nebenbei rührte die FIFA — völlig selbstlos — die Werbetrommel für die Weltmeisterschaft 1994 in den USA.

Für Hans-Hubert Vogts war es kein Spiel der Freude und Wohltätigkeit. Artig bedankte er sich bei den 38.000 Zuschauern für das dargebrachte Eintrittsgeld, um sofort zum Ernst der Dinge zu gelangen: „Mit dem Test für das EM-Spiel gegen Wales in einer Woche bin ich zufrieden, zumindest in der ersten Halbzeit“, sprach Bundes-Berti. „Schmerzlich sind die Verletzungen von Jürgen Klinsmann und Andreas Brehme“, klagte er und nominierte den Stuttgarter Frontzeck nach.

Ansonsten lief alles wie geplant, selbst die Auswechslung der Torhüter (Köpke für Illgner) war mit dem Bayerischen Rundfunk abgesprochen. Fraglich bleibt, ob diese „Fußball-Gala“ wirklich ein sportlicher Test für die BRD-Nationalmannschaft darstellte. Dafür präsentierte sich die Weltauswahl viel zu bunt zusammengewürfelt. Den von der FIFA beauftragten Trainern Bora Milutinovic und Bobby Robson ging es schließlich nicht ums Prestige. Aber auch Robson lobte die erste Hälfte und gratulierte den Deutschen listig zu den hervorragenden Torhüterleistungen.

Doch reizvoll war das Münchner Auswahlspiel allemal, konnte man doch viele der besten Fußballer der Welt bewundern: Ruud Gullits Ballbehandlung und sein Aussehen, des Bulgaren Stoitschkows Stürmerleistung, Higuitas torhütende Ausflüge und Valderamas blonde Mähne. Aber ehe sich die vielsprachige Weltauswahl verständigen konnte, erstolperte Klinsmann bereits einen Elfmeter (3.). Rudi Völler hatte leider Goycocheas Ruf als „Elfmetertöter“ vergessen und schob ihm den Ball in die Arme. Verängstigt übertrugen die deutschen Edelkicker 20 Minuten die Unterhaltung dem Weltauswahl- Mittelfeld mit Gullit, Stojkovic und Waddle, die stets ihre Positionen wechselten und ihren Stürmern Torchancen verschafften.

Ein Fehler von Effenberg, von den Pfiffen gegen ihn verunsichert, erbrachte mit dilettantischer Hilfe von Kohler und Binz das verdiente 1:0 für die Weltauswahl durch Stoitschkow. Die deutsche Abwehr stand in dieser Phase alles andere als sicher. Der Ausgleich durch Matthäus-Ecke und Beiersdorfer-Kopfball (29.) beendete aber die Vorherrschaft der FIFA-Auswahl. Matthäus schenkte Stefan Effenberg das 2:1 (35.), und Andreas Thom schoß nach Zusammenspiel mit Häßler und Effenberg den Argentinier Ruggieri an, der zum 3:1 (38.) ins eigene Tor traf. Zwischendurch durfte Gullit, der lange Verschnaufpausen einlegte, die technischen Mängel der deutschen Hintermannschaft aufzeigen. In der zweiten Hälfte war dann eine völlig ausgewechselte FIFA- Auswahl zu bestaunen. Nur Rudi Völler mühte sich noch, mußte jedoch seinen 31 Jahren Tribut zollen und hat selbst beste Möglichkeiten kläglich vergeben.

So drehte sich das anschließende Pressegespräch allein um den nächsten Gegner der Deutschen. Der Engländer Robson beschrieb Wales zwar als nicht besonders technisch begabt, aber sein Kollektivgeist, sein Teamwork seien ausgezeichnet. Die Männer von der Insel wollten eben immer gewinnen. Deswegen müßten die deutschen Fußballer ganz schön aufpassen, wenn sie ihr EM-Ziel in Schweden erreichen wollen. Daß der andere Trainer der Weltauswahl, Bora Milutinovic, dies bereits als Tatsache ansah, liegt in der Ntaur der Sache. Er ist Trainer der USA-Nationalmannschaft.

Diese Zuversicht wird auch die zahlreichen anwesenden Funktionäre der bayerischen Staatspartei zufriedengestellt haben, ist es doch gut zu wissen, amerikanische Freunde hinter sich zu haben. Auch „Kaiser“ Franz Beckenbauer freute sich ob der gegenseitigen Lobhudelei, hat er doch selbst innige Verbindungen zu den Staaten. Aber schließlich ging es um den guten Zweck, um Hilfe für das Kinderhilfswerk Unicef. Schon deshalb war die ganze Inszenierung keine Enttäuschung. Werner Steigemann

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