Vor dem Ritual der internationalen Großfinanz

■ Wer wann warum mit wem in Bangkok tagt und wo die Politik von IWF und Weltbank bestimmt wird

Bangkok/Berlin (taz) — Jedes Jahr im Herbst trifft sich die internationale Großfinanz beim Ritual der Jahresversammlung der Gouverneure von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF); diesmal vom 15. bis 17. Oktober in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Keine Geschäftsbank, die etwas auf sich hält, versäumt die Gelegenheit zur Selbstdarstellung und internationalen Kontaktpflege — auch und vor allem mit den Herren aus den Ministerien.

Die eigentliche Arbeit von IWF und Weltbank, deren ursprüngliche Aufgabe seit 1944 die Stabilisierung des Weltwährungssystems ist, findet allerdings bereits in den Tagen zuvor statt, auf den Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der verschiedenen Länderzusammenschlüsse. So beraten am morgigen Freitag die Finanzminister der sieben reichsten Industriestaaten (Group of Seven, G-7: USA, Japan, Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada) über gemeinsame Hilfen für die Sowjetunion. Anschließend weitet sich die G-7 zur G-10 (plus Belgien, Niederlande, Schweden, Schweiz [letztere noch nicht IWF-Mitglied] — paradoxerweise also 11 Länder) aus. Ebenfalls Freitag trifft sich die Sprechergruppe der Entwicklungsländer (G-24: je acht Staaten aus Afrika, Asien und Lateinamerika als Vertretung für über 100 Entwicklungsländer), um eine gemeinsame Position für die offizielle IWF-Tagung zu finden.

Am Sonntag tritt der Interimsausschuß der Gouverneure des IWF zusammen. Auch wenn sich der Name vergänglich anhört: Dieser Klub innerhalb des IWF bestimmt de facto die Politik des IWF. Ihm gehören stellvertretend für die 155 Mitgliedsländer die Finanzminister und Notenbankchefs aus 22 Ländern an. Was dieses Gremium beschließt, wird auf der eigentlichen Tagung ab Montag dann lediglich offiziell bestätigt. Wie im gesamten IWF bestimmen auch im Interimsausschuß die Länder mit den meisten Anteilen am Fondskapital, den sogenannten Quoten. Berechnet wird die Quote eines Landes nach seiner Wirtschaftskraft. Sie bestimmt über die Höhe der Kredite, die beim IWF gezogen werden können. Ein knappes Fünftel der Quoten halten die USA, die somit auch über ein Vetorecht in den allen wichtigen Fragen verfügen.

Ebenfalls vor Beginn der offiziellen Tagung trifft sich der Entwicklungsausschuß. Das gemeinsame Gremium von IWF und Weltbank soll die wirtschatfliche Entwicklung der Dritte-Welt- Länder vorantreiben.

Die zentralen Themen dieses Jahres sind die Hilfe für das frisch assoziierte IWF-Mitglied Sowejtunion und die neue Knappheit des Geldes. Seit auch Industrieländer wie die Bundesrepublik hohe Haushaltsdefizite anhäufen und die Bevölkerung der reichen Staaten immer weniger Geld spart, als für Investitionen eigentlich benötigt wird, steigen die Zinsen. Das wiederum führt dazu, daß Investitionen teurer werden und nur noch dort investiert wird, wo sich der teure Kapitaleinsatz rentiert. Im Konkurrenzkampf um das knappe Geld geraten als erste die Schwächeren, die Entwicklungsländer also, ins Hintertreffen. Zur Sanierung der Staatsfinanzen der Dritte- Welt-Länder haben IWF und Weltbank kürzlich die Militäretats entdeckt. Nach Meinung des IWF-Präsidenten Michael Camedessus könnten 140 Milliarden Dollar im Jahr eingespart werden, wenn die Länder mit „überhöhten Militärausgaben“ ihren Etat auf den Durchschnittswert aller Staaten reduzieren würden. Donata Riedel