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Den Aktionswillen zu Mahnwachen bündeln

Rassistische Übergriffe rufen Berliner BügerInnen auf den Plan/ Flüchtlingsgruppen organisieren Mahnwachen und Patenschaften/ Asylberatung setzt auf Eigeninitiative/ Verschiebung in die fünf neuen Bundesländer möglicherweise gestoppt  ■ Von Jeannette Goddar

Während allerorten Asylbewerber in ihren Heimen zittern, bietet in Berlin eine breiter werdende Front rassistischen Übergriffen Paroli. Bürgerrechtsorganisationen, autonome Flüchtlingsgruppen, Beratungsstellen sowie kirchliche Gruppen sind seit Hoyerswerda damit beschäftigt, Gegenöffentlichkeit zu organisieren. „Uns wächst die freiwillige Arbeit langsam über den Kopf“, stöhnt Corinna Marcus, Mitarbeiterin bei der Gruppe SOS-Rassismus. Jeden Abend läuft im Büro das Telefon heiß, und man versucht, den Aktionswillen der Anrufer zu Mahnwachen zu bündeln. So versammelten sich in der Nacht zum 3. Oktober über 70 Leute vor einem Charlottenburger Sinti- und Roma-Heim, gestern mehr als 50 Männer und Frauen vor dem Rathaus Steglitz.

Meistens wird allerdings eher sporadisch gemahnt: Einige Stunden täglich und oft nur von zwei bis drei Personen. „Wir können und wollen keine Hilfssheriffunktionen übernehmen“, erklärt Corinna Marcus. Die Mahnwachen sollten in erster Linie Solidarität mit den Nicht-Deutschen demonstrieren.

Mit Flugblättern in 15 Sprachen informieren die Mahnwachenteilnehmer die Bewohner der Heime über ihre Aktionen. Gestern erhielten sämtliche Heimleitungen der 79 Berliner Asylbewerberheime einen erläuternden Brief der Koordinationsgruppen mit der Bitte um Unterstützung. In den meisten Fällen sei die Zusammenarbeit sehr gut, berichtet Hanne Garrer von einer kirchlichen Asylberatung, die auf Eigeninitiative der Bewohner setzt. Bei Besuchen in den Heimen setzen sich Garrer und ihre Kollegen für die Bildung von Komitees ein. In vielen Fällen versuchten die Flüchtlinge bereits, sich selbst zu organisieren und gemeinsam ihre Ängste aufzuarbeiten, so Garrer. Auch „Patenschaften“ wurden für einige Asylbewerberheime übernommen. Anstelle von regelmäßigen Mahnwachen sehen dort zwei bis dreimal täglich Leute nach dem Rechten, nehmen Kontakt mit den Heimleitungen auf und hinterlassen für den Ernstfall ihre Telefonnummer.

Mit Plakataktionen und U-Bahn- Blockaden will das feministische Bildungsprojekt „Nozizwe“ dazu aufrufen, bei rassistischen Übergriffen nicht wegzusehen, sondern einzugreifen. Gemeinsam mit autonomen Flüchtlingsgruppen unterstützte Nozizwe die Besetzung der Kreuzberger Passionskirche aus Solidarität mit den aus Hoyerswerda nach Berlin Geflohenen ebenso wie die Demonstration am 3. Oktober.

Gegen die Verschiebung von Asylbewerbern in die fünf neuen Bundesländer macht die Kontakt- und Beratungsstelle für außereuropäische Flüchtlinge (KUB) mobil. Angesichts sich häufender Übergriffe solle der Senat die Verteilung der Flüchtlinge vorübergehend stoppen, fordert die KUB. Jeden Donnerstag verlassen Sammeltransporter vom Kreuzberger Waterloo-Ufer aus Berlin Richtung Eisenhüttenstadt oder Chemnitz in zentrale Sammelheime. Vor einer Woche störten 20 Leute die Abfahrt der Busse und informierten die Flüchtlinge über ihr Recht, die Mitfahrt zu verweigern und ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzustrengen. 43 der 50 Flüchtlinge machten von dem Angebot Geberauch — mindestens bis zum endgültigen Bescheid des Gerichts bleiben sie in Berlin. Möglicherweise würden die Sammeltransporte in dieser Woche „mangels Nachfrage“ nicht auf die Reise geschickt, sagte ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde der taz.

Noch ungeklärt ist, inwieweit die zahlreichen Initiativen zusammenarbeiten und übereinstimmen. Im Ernstfall hielten schon alle zusammen, teilte Renate Wilson von der KUB mit, aber eine dauerhafte Zusammenarbeit gäbe es nicht. Das macht auch die Koordination schwierig: Teils werden Aktionen in privater Initiative organisiert, manche Mahnwachen verlaufen im Sande, andere kommen nicht zustande. Am Wochenende gibt es weitere Treffen zwecks besserer Koordination. Denn daß viel mehr getan werden müßte, da sind sich alle einig.

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