Flora, Fauna und Florett

■ „Der kleine Tierfreund“ auf Tingeltour in Bremen / Schauburg rappelvoll

In der lauen Nacht des keimenden Herbstes konnte man im schummrigen Gewölbe der Schauburg ein dichtgedrängtes Rudel Radiohörer erspähen. Jungtiere meist, aber auch viele gutgemästete Prachtexemplare, die dem Lokruf des „Kleinen Tierfreundes“ gefolgt waren, um den mysteriösen Streuner, der nur in Symbiose mit seiner Kreidler Florett lebensfähig ist, diesmal nicht nur zu hören, sondern auch in der ganzen Pracht seiner männlichen Ledermontur, mit Halbschalhelm und abgeschnittenen Handschuhen, zu bewundern.

Sein unvermeidlicher zweitaktiger Lebensgefährte stand in heimeliger Nähe des mit Pelz geschmückten Tischchens, an dem der ledrige Zweibeiner mit den allen Radiohörern so wohlbekannten Sprachfehlern aus seinen Werken vortrug: dröge und in der Mimik eher minimalistisch, wie es in seinem Lebensraum, der norddeutschen Tiefebene, allen Gattungen eigen ist.

Aber von welch monströsen Wesen und Vorkommnissen berichtete der vermeintliche Freund der sich heterotroph ernährenden Organismen ? Es klang, als hätte der Marquis de Sade sich an „Brehms Tierleben“ vergangen. Vom Gemetzel an den aussterbenden Tierarten Müffel und Futon, dem provokanten Wellensittich und den besten Wegen, ihn um die Ecke zu bringen, vom Rehkitztorso im Gerstenfeld und dem „totgefahrensten Tier des Jahres“ wurde da berichtet. Hundedreck in der Manteltasche, blutige Szenen aus dem Schlachthof für Mastzeisige und ein Schnellehrgang zum Auseinandernehmen von Katzen ließen den zartbesaiteten Säugern wohl eher den Pelz zu Berge stehen. Aber die versammelten Mitglieder der Gattung der Radiohörer gaben ununterbrochen seltsame, halb bellende, halb hustende Laute von sich und schlugen wie wild ihre Vorderläufe zusammen.

Auch die Beschimpfungen durch den mit einer großen Forke bewaffnenten Bauern, der nach der Pause auf der Bühne über Gülleproduktion und Fernbedienungen dozierte, 1 „Katzenscheiße T-Shirt“ verschenkte und ansonsten dem „kleinen Tierfreund“ verdächtig ähnlich sah, ließ die dicht gedrängte Runde willig über sich ergehen.

Der ewig wackelnde Zeigefinger des Tierfreundes und sein rhetorischer Massenmord an allem, was da kreucht und fleucht, hatte sie in seinem Bann geschlagen. Der „Kleine Tierfreund“ hat also auch außerhalb der Ätherwellen sein Revier erobert. Aber in freier Wildbahn möchte ich ihm nicht begegnen.

Wilfried Hippen