Angst lebt hinter der Fassade

■ Eine Flüchtlingsfamilie erlebte zwei Brandanschläge in Bremen

Die Fassade ist schon wieder blankgeputzt. Von außen ist dem Haus in Bremen-Nord der Brandanschlag vom vergangenen Wochenende nicht mehr anzusehen. Doch seine Bewohner, zwei Familien aus Jugoslawien und dem Libanon, leben seitdem in panischer Angst. Besonders für die sieben Mitglieder der jugoslawischen Familie war der Brandanschlag mit dem Molotowcocktail eine Tragödie, obwohl er vordergründig keinen Schaden angerichtet hatte. Denn die Familie war schon einmal Opfer eines Brandanschlages geworden — schon damals in einer Unterkunft für Asylbewerber in Bremen.

Das war vor knapp drei Jahren, zwei Monate nachdem die albanische Familie aus Jugoslawien nach Bremen geflohen war. Dabei war einer der Söhne mit schweren Rauchvergiftungen nur knapp dem Tod entgangen. Als die Feuerwehr den Siebzehnjährigen leblos aus dem brennenden Asylheim barg, war der Vater verzweifelt zusammengebrochen. Seitdem leidet er an tiefen Depressionen. Die vergangenen zwei Jahre verbrachte der Mann deswegen in psychiatrischer Behandlung im Krankenhaus. Seit zwei Monaten erst lebt er wieder bei seiner Familie, die deswegen vorsorglich in das Zweifamilienhaus umquartiert worden war. Als in der Nacht zum Sonntag der Molotowcocktail vor dem Haus in drei Meter hohe Flammen aufging, wurden schreckliche Erinnerungen wach. Der Vater läuft unruhig in der Wohnung hin und her, streicht sich permanent die Haare aus der Stirn. Die Mutter zittert, als sie von den Vorfällen berichtet. Traurig zeigt sie den Berg von Medikamenten, den ihr Mann mit nach Hause bekam. Der Tochter bleibt erneut die Luft weg, als sie erzählt, wie sie am Sonntag von der Nachbarin geweckt wurde. Ihr Bruder könne es seit seinen Rauchvergiftungen von vor drei Jahren in keinem Zimmer aushalten, in dem geraucht würde. Drei Jahre Leben in Bremen sind für diese Familie in der Erinnerung auf zwei Brandanschläge zusammengeschmolzen.

„Wir sind vor dem Krieg geflohen und in Krieg gekommen. Wir leben in Panik. Wir wissen nicht mehr, welches Fenster man überhaupt noch aufmachen kann. Wir wagen uns nicht auf die Straße. Das ist kein Spiel mehr.“ Die Söhne halten abwechselnd Nachtwache. Nur tagsüber trauen sie sich, ein paar Stunden zu schlafen.

Sobald draußen ein Auto vorbeifährt, zucken sie zusammen. „Sie sind schon wieder vorbeigefahren“, ist jüngste Sohn überzeugt. Er vermutet die Täter vom Sonntag in „vier glatzköpfigen jungen Männern“, die er in einem roten Passat wegfahren sah, glaubt, daß sie ihr Haus beobachten. Wie er glaubt die gesamte Familie, daß weitere Anschläge folgen könnten. Sie diskutieren heftig, ob sie ihre Geschichte und ihre Gefühle der Zeitung anvertrauen wollen. Die Mutter setzt sich mit dem Argument und der Hoffnung durch, daß dann vielleicht Hilfe komme.

Seit dem jüngsten Brandanschlag habe sich außer der Kripo nur der Arbeiter-Samariterbund um sie gekümmert und eine Nacht lang Wache gestanden. Von Initiativen der deutschen BremerInnen, ihren ausländischen Nachbarn zu helfen, haben sie noch nichts gehört. Sie verfolgen rund um die Uhr die Nachrichten in Fernsehen und Radio, mit jeder Meldung eines weiteren Anschlages wächst ihre Angst.

Die Sieben wollen eine andere Wohnung haben. „In einem Haus, in dem Deutsche leben. Dann passiert so etwas nicht“, auch wenn es nur ein oder zwei Zimmer sein können. „Wir wollen auch nicht mit Gewalt hierbleiben“, betont der älteste Sohn, auf den in Jugoslawien der Einberufungsbescheid zum Militär wartet. Sobald in Jugoslawien wieder Frieden einkehrt, wollen sie zurückkehren. Manchmal denke er sogar, so sagt der Älteste zögernd, daß es besser sei, sich in den Krieg abschieben zu lassen als weiter in Deutschland zu bleiben. „Brot gibt es in Jugoslawien auch.“ Doch noch weist er eine solche Lösung weit von sich, die Mutter schaut ihn ängstlich an.

„Wir wollen arbeiten. Für uns muß niemand zahlen.“ ra