DIE KONZERT-ÜBERFLIEGER-RUBRIK
: Durchs Dröhnland

■ Das Beste, Schlechteste, Wichtigste und Überflüssigste der nächsten Woche

Ganz im Gegensatz zu ihrem verharmlosenden Namen sind Milch eher ungenießbar. Aber genau das trug ihnen das allgemeinen Wohlwollen der Kritikerschar ein. Hier haben sich zwei Dilettanten zusammengetan, um zu Genialen zu werden, was bekannterweise ja auch eine Möglichkeit ist, mit dem eigenen Wahnsinn fertig zu werden. Beim Duo Milch scheppert's und klappert's auf Gitarre und Schlagzeug, daß es eine lärmige Pracht ist. Das Gedöhns ist versehen mit allerlei lustigen Worten, die nur schwerlich einen Sinn ergeben, sollte jemand versuchen, sie in einen kausalen Zusammenhang zu stellen. Also auf Platte nichts für Leute, die sich allzu viele Gedanken machen, live allerdings sollen Milch so furios ihre Unmusik zelebrieren, daß ihnen von ihrer Heimstatt München — ansonsten ja nicht unbedingt ein Hort für Weltbewegendes — aus ein gefährlicher Ruf vorauseilt.

Am 11.10. um 21 Uhr auf Der Insel

Die Berliner Die Seuche versuchen nun schon seit einigen Jahren über den Status eines mittelmäßig beliebten Lokalkultes hinauszukommen. Als Hardcore- Band scheitern sie dabei vor allem an ihrer unrühmlichen Vergangenheit als Dumpfpunk-Combo und der Tatsache, daß sie auf Deutsch texten. Das zwar ziemlich gut und weit jenseits möchtegernromantischer »Heute morgen hatte ich Kater«-Dummbatzigkeit, aber sowas ziemt sich halt nicht für jemanden, der vornehmlich im Sexton abhängt.

Zusammen mit Eisenvater 12.10. auf der Insel

Mordred aus San Francisco sind die Speerspitze des vorletzten Cross-over-Versuchs langhaariger Metaller. Sie trieben die Verschmelzung von Funk und Heavy Metal weiter voran, als es die bisher in diesem Genre ziemlich einsam an erster Stelle stehenden Red Hot Chili Peppers taten. Die haben zwar jetzt mit einer neuen, grandiosen Platte nachgezogen, aber Mordred kommt doch immer noch das Verdienst zu, den Metal am weitesten zum HipHop hin geöffnet zu haben. Für ihre zweite LP nahmen sie einen DJ in die Band auf (für eine Metal-Band eh schon ein Ereignis), der fortan frisch drauflossampelte und das vor allem mit Versatzstücken von der ersten Mordred-LP. Sowas Oberdreistes hatten noch niemand gewagt: Sich selbst zu sampeln und das nicht etwa nach zehn Jahren, sondern schon auf der zweiten Platte. Live bemalt sich Sänger Scott Holderby den ganzen Körper übrigens meistens blau, aber was das soll ...

Als Vorgruppe sind Atom Seed aus London dabei, die in derselben Entwicklung in den Kinderschuhen stecken geblieben sind. Bei ihnen funkt es zwar öfters ziemlich heftig, aber das haben Living Colour besser gemacht. Zudem sind sie manchmal gar so zäh, daß unangenehme Erinnerungen an die 70er auftauchen.

Mordred und Atom Seed spielen am 13.10. um 20.30 Uhr im Loft)

Im Moment scheint der Rockabilly ein zaghaftes Revival zu wagen. Restless (Foto: Petra Gall) waren dabei, als vor mehr als zehn Jahren die Psychobillys die Friedhöfe stürmten und die alten Legenden wenig pietätvoll, aber dafür sehr erfolgreich, exhumierten. Dabei konnte man sie nie so recht festlegen, was ihnen leichte Schwierigkeiten bei den harten Ideologen einbrachte. Sie hatten keine Schwierigkeiten damit, klassische 50er-Jahre-Anzüge mit scharf rasierten Flattops zu kombinieren. Waren sie nun Teds, Psychos, Retros, Neo-Rockabillys oder was? Sie wechselten Erscheinungsbild und Sound nicht nur von Platte zu Platte, sondern bisweilen auch von Song zu Song, blieben dabei aber immer doch Restless.

Der alten Bewegung, die sie nach oben gespült hat, erteilen sie heute allerdings eine Absage: »Psychobilly war wirklich eine Erweiterung der ursprünglichen Punk-Bewegung, die Bands waren stolz darauf, nicht spielen zu können. Psychobilly war o.k. als es nur Spaß war, aber zuletzt hat die Gewalt überhand genommen.« Ihr bester Song bleibt die Coverversion des alten Bergarbeiter-Kampfsongs 16 Tons — ganz traditionell: Nur eine Gitarre, Schlagzeug-tik-tok, Slapbass, alles auf das Nötigste reduziert und »You load 16 tons and what do you get, another day older and deeper in dept...« to

Am 16.10. um 20.30 Uhr im Loft

Supremacy machen Hardcore, ganz normal, irgendwo im Grenzbereich zu den intelligenten Verfechtern des Speedmetals à la Metallica, mal schleppend und plötzlich peitschend. Schneidende Gitarren, rupfende Basslinien, aggressiver, verschwitzter Gesang, alles in allem technisch außerordentlich ordentlich, und für 'n Demo-Tape schon ungewöhnlich sauber produziert. Als musikalische Vorbilder können noch Prong und Accused erwähnt werden, alles in allem eine gute Visitenkarte. Supremacy führen einen verbalen Kampf gegen Krieg, Rassismus, Drogenmißbrauch, Unrecht und Unterdrückung. Auch hier insofern nicht viel Neues. Selbst das Band-Info erinnert da und sicher nicht unbeabsichtigt, an die Faltcover des einstigen Polit- Punk-Label Crass. So sind dort neben den radikalen Texten finstere schwarz-weiß Illustrationen und Radierungen abgedruckt; selbst Käthe Kollwitz kommt da zu neuen Ehren. Doch von dem altbekannten, reichlich simplen Macht-kaputt-was-Euch-kaputt-Macht-Aufforderungen sind sie noch ein ganzes Stück entfernt. Denn Supremacy sind Chronisten und liefern keine dumpfen Destroy-Rezepte. Die Band in ihrer heutigen Formation gibt's seit Anfang des Jahres und setzt sich aus drei ehemaligen Berliner Combos zusammen, die sich bereits ähnlich kruder Musik widmeten: Nursery Rhymes, Greedy Maggots und Marplots. Für Live- Auftritte also allemal ein stabiles Rückgrat. Pennymarkt

Am 12.10. in der Kulturfabrik Lehrter Straße, am 17.10 im H & M