Ein Haus für sowjetisch-jüdische Emigranten

■ Trägerverein, Projektgruppe, Sachmittel und ABM-Stellen sind vorhanden/ Der frisch gegründete »Verein zur Förderung von Immigranten aus der Sowjetunion« ist bereit, seine Arbeit aufzunehmen, es fehlt nur noch ein Haus in Ost-Berlin

Mitte. Wer ein großes Haus, eine leerstehende Kaserne oder eine alte Fabrik in Ost-Berlin zu verkaufen oder zu vermieten hat, kann sich an den eben gegründeten »Verein zur Förderung von Immigranten aus der Sowjetunion« (FIS), derzeit erreichbar über die Service-Gesellschaft »Zukunft im Zentrum«, Rungestraße 59, wenden. Der sucht nämlich eines, damit sein Projekt verwirklicht werden kann, das in Deutschland einmalig wäre und Schule machen könnte. Für dessen Realisierung steht sogar Geld aus Landes- und Stiftungsmitteln bereit.

Es geht um die Realisierung eines Wohnhauses, geplant, gebaut, betrieben und bewohnt von 500 jüdischen Emigranten, die im letzten Jahr vor dem Antisemitismus in der Sowjetunion nach Berlin geflüchtet sind und jetzt schon Monate in zwei ehemaligen Arbeiterwohnheimen in Lichtenberg hausen. Es geht auch um die Errichtung eines deutsch-jüdisch-russischen Kultur- und Begegnungszentrums, betrieben von den Bewohnern und zum Nutzen aller, die neugierig auf das Fremde sind. Die Idee zu diesem Haus-Projekt hatte Alexander Sosnowski, jüdischer Emigrant und derzeit beim Bezirksamt Lichtenberg für die Betreuung seiner Landsleute zuständig.

Mit Sorge beobachtete Sosnowski die sozialen Friktionen in den tristen Arbeiterwohnheimen, Häuser, in denen sich jeweils mehrere Familien eine Wohnung teilen müssen, die alle von Sozialhilfe leben, und wo die Integrationsbemühungen scheitern müssen, weil die Menschen sich unnütz und abgeschrieben fühlen. Und Fähigkeiten liegen brach, meint Sosnowski, die produktiv genutzt werden könnten. Denn 38 Prozent der potentiellen Bewohner des Hauses sind Ingenieure, 16 Prozent Ärzte, ebenfalls 16 Prozent Lehrer, und 7 Prozent sind Künstler. Der große Rest von 23 Prozent, so ergab eine Befragung, besitzen ebenfalls nützliche, teilweise handwerkliche Fähigkeiten für die Gemeinschaft. Alle zusammen, davon ist Sosnowski überzeugt, verfügen über die Motivation und das Wissen, sofort anzufangen.

Davon überzeugt ist auch der Sozialstadtrat von Lichtenberg, Gerhard Mucha, der dieses Projekt unterstützt. Zustimmung findet es ebenso bei der für die Vermittlung von ABM-Stellen zuständigen regionalen Service-Gesellschaft Berlin Mitte und dem Arbeitsamt VI, das bereits erste Stellen bewilligt hat. Seit dem 1. Oktober arbeitet, im Auftrag des Vereins, bereits eine Projektvorbereitungsgruppe in der Lichtenberger Archenholdstraße. Vier dieser Stellen werden über ABM finanziert, eine Ökonomin und eine Bauingenieurin mit Wohnsitz in Ost-Berlin werden noch gesucht. Acht weitere Stellen, nämlich ausschließlich für nicht ABM-berechtigte jüdische Emigranten, sollen über das Bundessozialhilfegesetz finanziert werden.

Die Arbeitsaufgabe der ganzen deutsch-sowjetischen Crew ist ab sofort die Ausarbeitung und Planung des besagten Hauses und wäre obendrein ein Arbeitsbeschaffungsprogramm aus BSHG-Mitteln für 35 bis 50 derzeit arbeitslose jüdische SozialhilfeempfängerInnen. Es ist ein Projekt, zu dessen Realisierung eigentlich nur eines noch fehlt: ein Haus, um anzufangen. aku