: Kleine Todeskandidaten in Schwarzrotgold
Augsburg (taz) — Das Bild hat Symbolgehalt: Auf einer Distel hockt eine große Heuschrecke, auf dem Boden vor ihr liegt ein Mann mit Kamera und knipst. Der Fotograf weiß genau, welch seltenes Exemplar einer aussterbenden Rasse er vor sich hat. Fast möchte man meinen, weit und breit ist außer dem Klicken der Kamera und dem ungewöhnlichen Gesang dieser großen Höckerschrecke — diesem eigenartigen rätschschsch-rä-rä — nichts anderes zu hören.
Die Fachliteratur spricht bei der Arcyptera fusca, der Großen Höckerschrecke, von „einer der imposantesten Erscheinungen unter den heimischen Heuschrecken“. Und imposant ist dieser Todeskandidat tatsächlich, der zahlenmäßig gar nicht mehr recht nachzuweisen ist in Deutschland. Die Höckerschrecke präsentiert sich mit ihrer schwarzrotgoldenen Zeichnung als hüpfende Nationalflagge. Freilich hüpfen nach den Worten des Diplom-Biologen Peter Hartmann aus Neusäß bei Augsburg „nur noch ein bis zwei Dutzend Höckerschrecken“ in der Bundesrepublik herum. Während die Fachliteratur davon spricht, daß es früher noch vier Standorte allein in Süddeutschland gab, „wird sie in neuerer Zeit nur noch bei Augsburg beobachtet“. Der Tierfotograf Martin Wendler berichtet jedoch davon, daß es ein zweites Vorkommen auf einem Truppenübungsplatz auf der schwäbischen Alb geben soll.
Wie auch immer. Im Heuschrecken-Naturführer von Heiko Bellmann heißt es: „Nach ihrer derzeitigen Bestandssituation dürfte sie eine der nächsten Arten sein, die ausstirbt.“
Peter Hartmann meint, daß der Hüpfer „eine kleine Chance hat“. Am besten wäre es, wenn in den vegetationsarmen und trockenen Heidegebieten, die es zum Teil bei Augsburg noch gibt, wieder eine extensive Schafhaltung praktiziert würde. Dann hätte die Höckerschrecke die Chance, sich wieder zu vermehren. Zumindest aber müßten diese Restweideflächen so erhalten werden, wie sie an einigen Stellen heute noch sind.
„Die intensive Landwirtschaft“, da sind sich Hartmann und Wendler einig, „bedroht den Lebensraum der Heuschrecken enorm.“ Denn im Raum Augsburg lebt außer der höchstbedrohten Höckerschrecke, deren schwarzrotgoldene Farbe Hartmann als Warnfarbe bezeichnet, auch noch die gefährdete Sumpfschrecke. Auch sie eine Heuschrecke in Schwarzrotgold. Wenn also die Lechkiesbänke und die Feuchtgebiete sowie die Heidefläche erhalten werden, dann haben die seltenen Heuschrecken, die hier noch nie zur biblischen Plage geworden sind, noch eine kleine Überlebenschance. Klaus Wittmann
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