piwik no script img

„Harter Brei“

Ex-Kulturminister Chinas klagt wegen Verleumdung  ■ Aus Peking Catherine Sampson

Der ehemalige chinesische Kulturminister Wang Meng, der nach dem Tiananmen-Massaker aus dem Amt entlassen wurde, will seine Kritiker unter den Pekinger Hardlinern vor Gericht bringen — wegen Verleumdung. Damit ist der Schriftsteller der erste unter den seit Juni 89 „gesäuberten“ Reformern, der sich öffentlich wehrt.

In den vergangenen zwei Jahren hat die amtliche Presse Wang Meng wiederholt kritisiert: Er habe während seiner Amtszeit zugelassen, daß sich „bürgerlich- liberale“ Tendenzen in Kunst und Literatur einschlichen. Wang Meng ertrug — ebenso wie andere Opfer der Säuberungen einschließlich Ex-Parteichef Zhao Ziyang — diese Angriffe schweigend. Im vergangenen Monat jedoch veröffentlichte das konservative Literaturmagazin 'Wenyi Bao‘ einen „Leserbrief“, in dem Wang Meng beschuldigt wurde, er habe in einer Kurzgeschichte Deng Xiaoping angegriffen. In der Geschichte „Harter Brei“ geht es um eine Familie, die versucht, ihr Frühstück mit aufregenden neuen Rezepten aufzupeppen, schließlich aber doch wieder bei ihrem vertrauten harten Brei endet.

Für Wang Meng war dieser „Leserbrief“ der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte. Wang glaubt, daß der Brief von seinem Erzrivalen und Amtsnachfolger He Jingzhi lanciert wurde, und fürchtet, dies könne der Vorbote neuer Angriffe im Stile der Kulturrevolution sein. Der Chef der 'Wenyi Bao‘, Zhen Bonong, ist ein Protegé des gegenwärtigen Kulturministers.

Mit seinem Protest gegen die Fraktion der Hardliner innerhalb des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei wirft der 57jährige — der dem ZK selbst immer noch angehört — ein Schlaglicht auf die schwelenden Spannungen innerhalb der politischen Führung.

Am Mittwoch erklärte das Stadtgericht, es könnte Wang vor Samstag nicht mitteilen, ob es einer Klageerhebung zustimmen könne. Aus dem Umfeld Wang Mengs war zu vernehmen, daß der Schriftsteller sich an ein höheres Gericht wenden will, falls das Stadtgericht sich weigert, seinen Fall zu behandeln.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen