Bonn stochert im Nebel von Schalck und Koko

Bonn (taz) — Das Bonner Bundesfinanzministerium hat offenbar wenig Durchblick in Sachen Schalck-Golodkowski und dessen Kanalsystem „Kommerzielle Koordinierung“. Diesen Eindruck hinterließ der Staatssekretär im Finanzministerium, Joachim Grünewald (CDU), der gestern im Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages gleich mit einem Dutzend Fachbeamten anrückte. Doch auch die schüttelten oft nur den Kopf, wenn der Chef mit Detailfragen geplagt wurde. Offenbar haben die Ministerialen zwar sofort nach der Vereinigung die greifbaren Vermögenswerte der KoKo in guter Buchhaltermanier erfaßt, ansonsten aber keinen investigativen Ehrgeiz entwickelt. Nach Grünewalds Angaben sind seit dem Dezember 1989 insgesamt rund 6,8 Milliarden D-Mark sowie 18,3 Milliarden DDR-Mark aus vormaligen Koko-Kassen zunächst in den DDR-, später in den BRD-Haushalt geflossen. Die Aufklärung der KoKo-Aktivitäten zwischen Schalcks Flucht im Dezember 1989 bis zur deutschen Vereinigung im Oktober 1990 bereite erhebliche Schwierigkeiten, weil in dieser Zeit, also unter den Regierungen Modrow und de Maiziere, wichtige Akten vernichtet worden seien, um konspirative KoKo-Zusammenhänge zu verschleiern. Im Zusammenhang mit möglicherweise „verschwundenen Millionen“ aus dem Schalck- Nachlaß, bezeichnete Grünewald alle in der Öffentlichkeit gehandelten Zahlen als „Spekulationen“.

Das Problem laut Grünewald: „Wir wissen, was KoKo abgeführt hat, aber wir wissen nicht, was hätte abgeführt werden müssen.“ Dazu fehlten eben Akten und Insiderkenntnisse.

Auf die Frage des SPD-Abgeordneten von Bülow, ob ihm klar sei, daß er mit KoKo „eine mafiose Organisation geerbt“ habe, antwortete Grünewald: „Ja, rundherum!“ So hätten Koko-Firmen unter anderem erhebliche Zoll- und Steuerhinterziehungen betrieben, indem sie aus Ostblock-Staaten stammende Waren als DDR-Produkte deklarierten und so ungerechtfertigt von den Vergünstigungen des innerdeutschen Handels profitierten. Auch im Alkoholschmuggel und im illegalen Handel mit Hochtechnologie und Embargogütern sei KoKo aktiv gewesen. Damit widersprach Grünewald dem für die Koko-Abwicklung zuständigen Treuhand-Abteilungsleiter Hinrich Strecker, der am Mittwochmittag im Ausschuß erklärt hatte, trotz einiger fragwürdiger Geschäfte sei KoKo keine „Verbrecherorganisation“ gewesen. Th. Scheuer