Mädchen wird der Hammer aus der Hand genommen

■ Wissen Sie, was eine Kommunikationselektrikerin ist?

In Deutschland gibt es derzeit 368 Ausbildungsberufe. Aber Mädchen werden immer noch überwiegend Friseurin, Bürokauffrau, Arzthelferin, Fachverkäuferin, Rechtsanwalts- und Notariatsgehilfin sowie Einzelhandelskauffrau.

Obwohl empirische Untersuchungen in den letzten beiden Jahren nachgewiesen haben, daß Mädchen eine qualifizierte und nicht nur vorübergehende Berufstätigkeit als Lebensperspektive anstreben, erlernen sie Berufe mit niedrigem Lohnniveau und geringen Aufstiegschancen. Eine ausgelernte Friseurin zum Beispiel verdient 1.361 Mark brutto.

Diese Berufsentscheidungen beruhen nur scheinbar auf einer freien Wahl, behauptet die Bremer Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF). Sie sind eigentlich Ausdruck sehr begrenzter Handlungsspielräume. „Welches Mädchen weiß schon, was eine Kommunikationselektronikerin ist?“, fragt ZGF-Mitarbeiterin Barbara Loer, die gemeinsam mit Hilke Emig die Berufswahl von Mädchen erforscht hat. Ergebnis der zweijährigen Arbeit ist eine Broschüre zur „Berufswahl in der Lebensplanung von Mädchen — Konzepte für den Sekundarbereich I“.

Einige wichtige Erkenntnisse von Hilke Emig und Barbara Loer:

In der Regel ab Klasse 7 beginnen Jugendliche, sich mit ihrer künftigen Berufsausbildung auseinanderzusetzen — vorerst noch nicht getrennt in frauen- oder männertypische Berufe.

In dieser Altersgruppe zeigen Mädchen im Fach Technisches Werken noch das gleiche Interesse und die gleiche Geschicklichkeit wie Jungen. Je älter sie werden und je mehr die Ausbildung einer weibliche beziehungsweise männlichen Identität wächst, desto stärker wird der Vorsprung von Jungen in diesem Tätigkeitsfeld. Mädchen wird regelrecht „der Hammer aus der Hand genommen.“

Jungen reparieren in ihrer Freizeit Fahrräder, basteln an Lautsprecheranlagen und lernen spielend den Umgang mit Computern. Mädchen wenden sich zunehmend von solchen in ihrem Umfeld als „unweiblich“ interpretierten handwerklich-technischen Tätigkeiten ab.

Diese einseitige Fixierung läßt sich nach Meinung der ZGF ändern. Barbara Loer und Hilke Emig, die inzwischen beim Bildungssenator arbeitet, sehen einen wichtigen Ansatz zur Veränderung in der Schule: Der Berufswahlunterricht, der jetzt erst in Klasse 8 oder 9 einsetzt, muß ihrer Meinung nach schon in Klasse 7 beginnen. Berufs- und Lebensplanung sollen integriert behandelt werden. Mehrere Berufspraktika in Laufe der Schulzeit, davon einige speziell für Mädchen, sollen ebenso konkrete Orientierungshilfen geben wie die Einbeziehung von PraktikerInnen in den Unterricht.

In die Konzeption von Loer und Emig wurde auch die Diskussion um Koedukation und geschlechtergetrennten Unterricht aufgenommen. Sie fordern zum Beispiel besondere Seminare für Schülerinnen, in denen Mädchen mit der Stärkung ihres Selbstvertrauens und mit dem Abbau von geschlechtsspezifischen Fixierungen beginnen können. Das Fach Arbeitslehre soll künftig Elemente des Technischen Werkens, der Hauswirtschaft und des Textilen Gestaltens integrieren. asp