KOMMENTAR
: Verschleppen gilt nicht

■ Im Berliner Abgeordnetenhaus führt an einem Untersuchungsausschuß in Sachen Stasi kein Weg vorbei

Vor Wochen kündigte die CDU großspurig an, bei den Kommunalwahlen im kommenden Jahr würden alle von ihr aufgestellten Kandidaten auf eine frühere Stasi-Mitarbeit überprüft. Das macht sich gut angesichts des Bestrebens der CDU, die Stasi-Vergangenheit zum Kampfbegriff gegen die roten Socken und die PDS zu wenden. Wie diese Überprüfung passieren soll, hat die CDU bisher allerdings offengelassen. Zweifel, wie ernst das Bemühen um Aufklärung ist, müssen bei den Äußerungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky zum Fall Zippel aufkommen. Der Fraktionschef, der jetzt so tut, als sei der Fall Zippel ausgerechnet von der taz erfunden worden, um vom Fall Dirk Schneider abzulenken, weiß, wie unsinnig diese Behauptung ist. Das eisige Schweigen der Christdemokraten, als Zippel am Donnerstag im Abgeordnetenhaus seine persönliche Erklärung abgab, sprach Bände darüber, für wie unschuldig man den Parteifreund einstuft. Richtig ist vielmehr, daß die Vorwürfe gegen den Abgeordneten Zippel in der Führungsspitze der Christdemokraten seit fast einem Jahr bekannt sind, ohne daß etwas unternommen wurde, diese zu überprüfen. Parlamentspräsidentin Laurien (CDU) hätte längst bei der Überprüfungsbehörde für Stasi-Aktivitäten nachfragen können, anstatt nun bei der taz mit empörtem Gestus Unterlagen zu Zippel anzufordern.

An einem Untersuchungsausschuß des Abgeordnetenhauses führt jetzt kein Weg mehr vorbei. Das ausufernde und hinhaltende Gerangel der CDU über die Frage, ob ein sogenannter Ehrenrat ausreicht, der sich ausschließlich auf Gauck-Erkenntnisse stützt, hat sich erledigt. Denn Dirk Schneider hat von der Gauck-Behörde immerhin einen Persilschein erhalten. Die Frage weiter verschleppen ist kein Raum mehr. Ebensowenig für die selbstgefälligen Hinweise der Christdemokraten, mit einem Ehrenrat wäre man schon sehr viel weiter als der Bundestag, der sich völlig um das Thema stasibelastete Abgeordnete herumgedrückt hat. So paradox es klingt — gerade weil die Alternative Liste über den Fall Dirk Schneider nun ebenfalls ihre Unschuld in Sachen Stasi verloren hat, sollte eine Verständigung zwischen den Parteien möglich werden: Herauskommen könnte dabei ein Gremium, dem es nicht um Wahlkampfmunition, sondern neben der notwendigen Aufklärung auch um die politische Aufarbeitung geht. Gerd Nowakowski