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INTERVIEWLohn für kranke Putzfrauen

■ Ellen Burghardt vom Bundesvorstand des DGB über das jüngste Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Das Bundesarbeitsgericht in Kassel fällte in dieser Woche eine Grundsatzentscheidung, die Hunderttausenden Putzfrauen, in Gaststätten und anderswo „geringfügig Beschäftigten“ eine frohe Botschaft sein dürfte: Auch wer weniger als 10 Stunden in der Woche arbeitet, hat Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Dieses Urteil steht im Gegensatz zum Lohnfortzahlungsgesetz. Eine Putzfrau hatte, vertreten durch den DGB, geklagt.

taz: Frau Burghardt, wie sensationell ist eigentlich dieses Urteil?

Ellen Burghardt: Sehr sensationell. Der DGB hat diese Forderung ja schon lange erhoben. Letztes Jahr gab es in Delmenhorst dazu ein Vorurteil. Das dortige Arbeitsgericht hatte einer klagenden Putzfrau in dieser Frage schon einmal Recht gegeben. Andere Arbeitsgerichte waren anderer Meinung. Die Klage ging dann vors Bundesarbeitsgericht, und das hat nun erfreulicherweise so entschieden.

Es gibt auch eine Vorgeschichte vor dem Europäischen Gerichtshof.

Das ist der gleiche Fall. Das Delmenhorster Arbeitsgericht befand, daß im Bereich der geringfügig Beschäftigten vorwiegend Frauen tätig sind. Wenn sie aus der Lohnfortzahlung herausfallen, könnte Frauendiskriminierung, also ein Verstoß gegen Artikel 119 des EWG-Vertrags [Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. d.Red.] vorliegen. Das Delmenhorster Gericht bat den Europäischen Gerichtshof, zu prüfen, ob eine solche Diskriminierung vorliegt. Der EuGH hat so entschieden. Das war das erste Urteil seiner Zeit, und das Delmenhorster Arbeitsgericht hat der Klägerin daraufhin Recht gegeben. Der Streitwert war übrigens 70 Mark.

Die Klage hatte also weniger einen ökonomischen als einen politischen Hintergrund.

Nicht nur. Es ging auch um die Existenz der Putzfrau, für die 70 Mark viel Geld war. Ich bewundere den Mut dieser Frau, die die ganze Geschichte ins Rollen gebracht hat. Denn man muß auch den Terror sehen, dem sie nun ausgesetzt ist. Die Klägerin wurde von einem ihrer Arbeitgeber zum Beispiel zum Toilettenputzen abkommandiert. Diese Politik der Nadelstiche ist natürlich schwer zu beweisen, wird aber von vielen Arbeiterinnen befürchtet.

Für wieviel Beschäftigte wird das Urteil Verbesserungen bringen?

Für 7,3 Millionen, zum größten Teil Frauen. Das ist die Zahl der deutschen Rentenversicherungsträger. Nicht erfaßt sind dabei diejenigen, die zum Beispiel in privaten Haushalten arbeiten.

Gilt das Urteil auch für sie? Für alle, die ohne Vertrag arbeiten?

Grundsätzlich würde ich sagen ja.

Müßte jede einzeln klagen?

Ja, daher wird es Zeit, daß der Gesetzgeber auf dieses Grundsatzurteil vom BAG reagiert und das Lohnfortzahlungsgesetz entsprechend ändert. Interview: Ulrike Helwerth

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