„Beihilfe zur Brandstiftung“

■ Der angebliche Kompromiß zum Asylrecht hielt nicht mal einen Tag/ Schäuble präsentiert neue Grundgesetzänderung/ Pro Asyl und amnesty international kritisieren geplante Sammellager

Berlin (dpa/ap/taz) — Bereits einen Tag nach der angeblichen Einigung von CDU/CSU, FDP und SPD auf eine drastische Verkürzung der Asylverfahren und der Einrichtung von zentralen Lagern ist klar, daß damit keineswegs ein Ende der Debatte erreicht ist. Kritik kommt sowohl von verschiedenen Bundesländern als auch von den Flüchtlingsorganisationen. Außerdem präsentierte Innenminister Schäuble bereits am Freitag einen neuen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundrechts auf Asyl — angeblich weil er in dem Gespräch im Kanzleramt bei den Sozialdemokraten eine Bereitschaft entdeckt haben will, darüber nachzudenken. Engholm wies dies als Fehlinterpretation zurück und kündigte stattdessen an, man werde die Vorschläge von Donnerstag als Gesetzentwurf im Bundestag einbringen. Schäuble hatte in seinem Entwurf eine Ergänzung der Art. 16 GG vorgeschlagen, die es ermöglichen soll, einzelne Länder als Verfolgerstaaten a priori auszuschließen. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international hat die Beschlüsse der Bonner Parteienrunde zur Beschleunigung der Asylverfahren als „faulen Kompromiß“ bezeichnet. Die geplante Verkürzung des Verfahrens sei zu drastisch und komme einem „kurzen Prozeß“ gegen politische Flüchtlinge gleich, erklärte amnesty am Freitag in Bonn. Durch die vorgegebenen kurzen Fristen für die Entscheidungen des Asylbundesamtes und der Verwaltungsgerichte entstehe ein Zeitdruck, der eine angemessene und fundierte Überprüfung des Asylbegehrens nicht mehr zulasse. Eine übereilte Ablehnung von tatsächlichen Opfern von Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren werde damit wissentlich in Kauf genommen. Auf Besorgnis stößt ferner das Vorhaben, Asylbewerber in Sammelunterkünften unterzubringen. Die Konzentrierung von Asylbewerbern in solchen Großunterkünften drohe das Konfliktpotential, das in den vergangenen Wochen immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer geführt habe, noch zu verstärken. Die asylfeindliche Stimmung in Teilen der Bevölkerung könne damit geschürt werden. Die Flüchtlingsorganistion „pro Asyl“ nannte die geplante Einrichtung der lager eine „Beihilfe zur Brandstiftung“. Harte Kritik an den Beschlüssen kam auch vom niedersächsichen Bundesratsminister Jürgen Trittin. Die geplanten „Internierungslager“ seinen inhuman und würden von Niedersachsen nicht eingerichtet. Dies sei bereits in der Koalitionsvereinbarung zwischen Grünen und SPD festgelegt worden. Die geplante Verlagerung der Kompetenzen an den Bund lehnte Trittin als Anschlag auf den Förderalismus kategorisch ab. SPD-Innenminister Glogowski bezeichnte die Vorhaben dagegen als „gut und notwendig“.

Kritik aus ganz anderen Motiven kam dagegen aus Bayern und Baden- Württemberg. Die Bonner Vereinbarungen seien unrealistisch und praxisfremd, ohne Grundgesetzänderung gehe gar nichts. Bayern, so Stoiber, werde keine zusätzlichen Sammellager einrichten, da seien nun erst die SPD-Länder am Zug.

Die Verschiebung von Flüchtlingen aus NRW nach Sachsen hat unterdessen das Oberverwaltungsgericht in Münster untersagt. Eine Verteilung von Flüchtlingen nach Sachsen sei „derzeit nicht zu verantworten“. „Angesichts des dort vorhandenen Gewaltpotentials müsse davon ausgegangen werden, daß die Sicherheit von Asylbewerberen in Sachsen nicht in dem erforderlichen Umpfang gewährleistet ist.“ jg