Äthiopien: Flüchtlingshilfe gefährdet

Blutige Zusammenstöße im Nordosten Äthiopiens, wo Hunderttausende Kriegs- und Dürreflüchtlinge aus Äthiopien und Somalia kampieren/ Hilfsrouten zur Flüchtlingsversorgung unterbrochen  ■ Aus Nairobi Bettina Gaus

Schwere Kämpfe rivalisierender Volksgruppen sind im Nordosten Äthiopiens ausgebrochen und gefährden die Versorgung von mehr als 500.000 Flüchtlingen in der Region. Die Straße aus dem Kleinstaat Dschibuti nach Äthiopien, auf der fast die gesamte Nothilfe für das von schwerer Dürre heimgesuchte Ogaden-Gebiet und für die Gegend um Harerge im nordöstlichen Äthiopien transportiert wird, ist nach Auskunft von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen gesperrt. Auch die Eisenbahn verkehrt nicht mehr.

Gefechte zwischen Angehörigen des Issa-Volkes und den Truppen der regierenden „Revolutionären Demokratischen Front des Äthiopischen Volkes“ (EPRDF) haben am Donnerstag in der Nähe der Stadt Dire Dawa zahlreiche Todesopfer gefordert. Am Dienstag war der Fahrer eines Lastwagens mit Hilfsgütern des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR auf dem Weg in die Ortschaft Aware erschossen worden, sein Fahrzeug wurde ausgeplündert.

Seit dem Sturz des Mengistu-Regimes in Äthiopien und der Machtübernahme der EPRDF ist es in dieser Region schon zu zahlreichen blutigen Zusammenstößen gekommen. „Die Lage ist sehr verwirrend“, sagt der Mitarbeiter einer nichtstaatlichen Hilfsorganisation. „Alle paar Kilometer sind von der Regierung jeweils andere Gruppierungen als lokale Autoritäten eingesetzt worden. Von der Stadt Jijiga zum Flüchtlingslager Derwonaji passieren wir drei ,Hoheitsgebiete‘ innerhalb von 50 Kilometern und müssen auch den Begleitschutz wechseln.“

Beobachter nennen eine Reihe von Gründen für den Ausbruch der bewaffneten Konflikte. „Die Issa fühlen sich nicht ausreichend politisch repräsentiert und von den zahlenmäßig überlegenen Oromo unterdrückt“, glaubt ein UN-Mitarbeiter. „Sie bekämpfen die EPRDF eigentlich nur stellvertretend, weil diese als eine Art Ordnungspolizei operiert.“ Schauplatz der jüngsten Gefechte war die Grenze zwischen den Gebieten der Oromo und der Issa; letztere stellen in Dschibuti die Regierung.

Ein Diplomat in Addis Abeba nennt auch wirtschaftliche Gründe: „Es geht um Landverteilung, um Exportrechte für den Handel mit bestimmten Gütern. Darüber hinaus machen jede Menge Banditen die Gegend unsicher.“