Singender Jeans — commercial

■ „Deacon Blue“ in der vornehmen Glocke / Neu waren die alten Stücke

Leadsänger Ricky Ross sieht so aus, als wäre er gerade direkt aus einem Jeans Werbefilm gepurzelt, und auch die Musik von „Deacon Blue“ hat dieses gewisse Flair von Jugend, Frische und Lässigkeit, daß im TV und Kino in blauen Hosen verpackt ist. Aber an ihrem Auftritt in der Glocke konnte man auch sehen, wie schwierig es sein muß, sich so frisch und unverbraucht zu halten.

Vor drei Jahren waren Band, Musik und Image noch eine ganz natürliche Einheit — heute spürt man schon die Anstrengung, die es kostet, all dies glaubwürdig darzustellen. Man merkte es auch an den gesungenen Songs: wirklich mitreißend und (so paradox dies auch klingt) neu waren die älteren Stücke aus den ersten LPs: „Real Gone Kid“ oder „Raintown“ zum Beispiel. Die „neuen“ Stücke klangen oft nur noch nett und beliebig. So schwankte das Konzert zwischen gepflegtem Allerweltspop und den old favorites, die vieles wieder gut machten.

Erstaunlich gut war dagegen der Sound der Band. Zum einen war der Ton präzise ausgesteuert und nicht zu laut (die Ohren summten hinterher nicht noch stundenlang, und diese Glück hat man inzwischen bei Popkonzerten nur noch sehr selten); zum anderen sind die einzelnen Musiker viel souveräner und sicherer geworden. Sängerin Lorraine McIntosh hat jetzt z.b. mit ihrer klaren, hohen Stimme viel mehr Raum bekommen — einigen Songs sang sie sogar allein. Auch die Violinistin Ann Wood war eine wirkliche Bereicherung für die Band und bei den Songpassagen, in denen die beiden Frauen im Vordergrund standen, konnte man sogar erkennen, in welche Richtung sich „Deacon Blue“ weiterentwickeln könnte, um dem drohende Mainstream zu entkommen.

Der Name verpflichtet, denn „Deacon Blues“ ist ein Song der legendären Band „Steely Dan“, und die hat sich einfach aufgelöst, als sie in die Gefahr kam, zu einer normalen Hitmaschine zu verkommen. Willy Taub