AL bittet um Entschuldigung

■ Delegiertenkonferenz über Dirk Schneiders Stasi-Tätigkeit

Berlin. Auch wenn er selbst nicht anwesend war, schaffte es Dirk Schneider, wie zu seinen besten Zeiten die Debatte in der AL zu polarisieren. Am Samstag nachmittag ging es auf der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) der Partei um seine jahrelange Tätigkeit für die Staatssicherheit. Alle betonten die Notwendigkeit der Aufarbeitung vor allem seiner deutschlandpolitischen Aktivitäten. Über das Wie schieden sich jedoch die Geister.

Während der Geschäftsführende Ausschuß (GA) die Debatte auf die Aufklärung über Schneiders Informantentätigkeit für die Staatssicherheit beschränken wollte, betonte eine Reihe prominenter Mitglieder, wie etwa Ulf Preuß-Lausitz oder Wolfgang Wieland, die Notwendigkeit der Überprüfung der gesamten Deutschlandpolitk der AL in den 80er Jahren, da diese im wesentlichen von Schneider geprägt worden sei. Auf der anderen Seite wollte das ehemalige Mitglied des GA Ilona Hepp vor einer Debatte erst geklärt haben, ob der Vorwurf der Agententätigkeit gegen Dirk Schneider berechtigt sei.

Für Unmut unter den Delegierten sorgte ein Interview des Abgeordneten Bernd Köppl, in dem dieser behauptet hatte, daß Schneider »jahrelang für seine Stasi-Ideologie in der AL die Mehrheit hatte«. Sein ehemaliger Fraktionskollege Albert Statz, der, wie Schneider, in der AL als ein Verfechter der Zwei-Staaten-Theorie galt, sah mit dieser Äußerung die »Schamgrenzen der politischen Diskussion überschritten«. Die Begründung seiner damaligen deutschlandpolitischen Position, so Statz, sei nicht eine Unterstützung der DDR gewesen, sondern die Ablehnung eines großen deutschen Zentralstaates.

Auch Wieland fand die Äußerungen Köppls »peinlich«, für ihn sei jedoch das Brisante am Fall Schneider gewesen, daß »er Wortführer einer Strömung war, die sich durchgesetzt hat«. Zwar sei mittlerweile die Deutsche Frage erledigt, jedoch nicht das Verhältnis der AL dazu, denn, so mutmaßte Wieland, ein Großteil der AL meine noch heute, »es wäre besser gewesen, wenn es bei den zwei Staaten geblieben wäre«.

Der GA sah in Schneiders Stasiaktivität den »hochrangigen Versuch der DDR-Führung, Einfluß auf die Entwicklung der Alternativen Liste zu nehmen«. In einem Antrag forderte er den ehemaligen Funktionär auf, Aufklärung darüber zu geben, welche Informationen er über die AL und einzelne Personen an die Stasi weitergegeben hat. Als Forum für diese Aufarbeitung wurde eine Veranstaltung unter dem Titel: »AL — willfähriger Erfüllungsgehilfe Moskaus?« vorgeschlagen. Dieser Antrag wurde mit dem Zusatz angenommen, daß sich die AL bei denjenigen in der ehemaligen DDR entschuldige, die durch das ehemalige Parteimitglied geschädigt worden seien.

Die LDK beschloß zudem die programmatischen Schwerpunkte für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen. Dabei entschied man sich für einen Verbund von offenen Wahllisten von Bündnis 90/Grüne im Osten und Grünen/AL im Westen. Eine Minderheit der Delegierten wollte diese Option auch für das Neue Forum offenhalten. Bündnis 90 und Neues Forum treten unter Umständen in einigen Bezirken Ost-Berlins konkurrierend an. Das Bündnis 90 hatte sich am letzten Wochenende als Zusammenschluß der Gruppen der Bürgerbewegung als Partei etabliert. dr