Protzende Germanen

Genf (taz) — Vor allem die Deutschen protzen auf der Genfer „Telekom 91“, der größten Telekommunikationsmesse der Welt.

Die Krokodilleder-Aktentasche unter den Arm geklemmt, hasten die nadelbestreiften Manager von Siemens und Sony zu Fuß über die Autobahn. Ihre Nobelkarossen nebst Chauffeuren haben sie entnervt zurückgelassen — nach anderthalbstündigem Stau auf dem kurzen Weg vom Genfer Flughafen und den Hotels zum Ausstellungsgelände „Palexpo“. Wer mit den bequemen Stadtbussen angereist ist, kann derweil schon den Clou der „Telecom 91“ bewundern: das computergesteuerte Verkehrsleitsystem für den Privat-PKW zur Vermeidung von Staus.

Ob Autosalon, Arafat-Besuch oder Präsidentengipfel — nie sind Hektik und Überfüllung, Wucher und Prestigesucht in der UNO-Stadt schlimmer als während der alle vier Jahre stattfindenden größten Telekommunikations-Ausstellung der Welt. Nominell von der UNO-Spezialorganisation „Internationale Telekommunikations Union“ (ITU) veranstaltet, ist sie ein Stelldichein der Großen der Branche. Auf 430 Millionen Mark belaufen sich die Gesamtkosten der noch bis Mittwoch geöffneten Show.

Den mit Abstand größten Aufwand treiben diesmal die Deutschen. Für 55 Millionen Mark errichteten sie in der „Palexpo“-Halle einen riesigen, vierstöckigen Protzbau. Die Stände von Toshiba, Sony oder AT&T wirken dagegen geradezu ärmlich. Die 55 Millionen werden anteilig vom Bonner Ministerium für Post und Telekommunikation (also von den Steuerzahlern) sowie von den beteiligten Firmen aufgebracht. Die deutsche Großmannssucht ist häufiges Gesprächsthema unter Ausstellungsbesuchern und Journalisten und wird überall negativ vermerkt. Bundespost- und Telekommunikationsminister Schwarz-Schilling ficht das nicht an. Für über 500 geladene Gäste veranstaltet er am zum „Tag der Deutschen“ ausgerufenen Dienstag letzter Woche in Genfs teuerstem Hotel einen Empfang mit mehrgängigem Abendessen. Kosten: über 100.000 Mark.

Auch bei einigen der beteiligten deutschen Firmen ist Kritik zu hören. Ein Bosch-Manager schimpft auf Schwarz-Schilling, der die Firmen „in dieses unsinnige Unternehmen und den großen Kostenaufwand hineingetrieben“ habe. Rentieren werde sich der Genfer Aufenthalt für die Firmen kaum. „Der völlig unangemessene Aufwand“, so der Bosch- Manager, „wirkt eher kontraproduktiv. Potentielle Kunden werden abgeschreckt. Sie müssen doch davon ausgehen, daß wir unsere Ausgaben für die Telekom auf die Preise für unsere Produkte aufschlagen.“

Die extrem hohen Standkosten führen auch dazu, daß kleine und mittlere Telekommunikationsbetriebe aus Deutschland oder den anderen 36 Ausstellungsländern in Genf kaum mehr vertreten sind. Die meisten können sich schon die während der zehn „Telekom“-Tage um das Vierfache erhöhten Hotelpreise nicht leisten. Ein Einzelzimmer im „Interkontinental“ etwa kostet statt normalerweise 350 jetzt 1.440 Franken — und war überdies nur im Zehnerpaket zu mieten. Genfer Privathaushalte, die Unterkünfte zur Verfügung stellen, kassieren pro Bett 5.000 Franken. Da ist es noch billiger, in Pariser Hotels zu wohnen und täglich hin- und herzufliegen. Die zu diesem Zweck gecharterten drei Sonderflugzeuge sind ausgebucht. Andreas Zumach