Karel Kellengott

■ Der Krefelder EV dankte nach dem 3:3 gegen Kölns Haie wieder einmal seinem Torwart Karel Lang

Krefeld (taz) — Eishockey-Torhüter faszinieren seit ihrer Erfindung. Normalsterbliche erschaudern schon bei dem Gedanken, sich freiwillig, gepanzert zwar, aber doch so scheinbar wehrlos, über 200- Stundenkilometern schnellen Geschossen in den Weg zu stellen. Der Faszination für die vermeintlich Todesmutigen ist es zuzuschreiben, daß die sportlichen Leistungen der Kastenwächter mithin überschätzt werden. Viele erfolgreiche Abwehrversuche sind schlicht der statistischen Wahrscheinlichkeit zuzuschreiben, wenn ein dick gepolsterter Mensch eine Fläche von gerade gut zwei Quadratmetern ausfüllen muß. Bei einem gilt das sicher nicht: dem — Friesen hin, de Raaf her, Heiß sowieso — ohne Zweifel derzeit besten Bundesliga- Torhüter: Karel Lang vom Neuling Krefelder EV.

Krefelds Kasten-Karel kommt aus dem Land des Schmalztenors Karel Gott, hat 44 Mal für die damalige CSSR gespielt. Was er wegfischt — mal mit stoischer Ruhe, mal mit waghalsigen Hechtflügen — grenzt ans Sagenhafte. Daß er gegen Köln zwischendurch auch mal einen Penalty hielt, überraschte niemanden. Wenn Lang das dauernde Entnerven von Gegnern zu langweilig wird, zelebriert er kleine Showeinlagen. „Der Rastelli auf Kufen“ läßt den Puck von der Kelle hochtanzen, der Gegnerstürmer Draisaitl wittert fälschlich eine Unsicherheit, kommt herangebraust, aber Lang fängt die Scheibe weg, um sie mit elegantem Schlenker einem eigenen Mann zuzuspielen. Als seine Feldflitzer am Freitag abend vorne lange das Tor nicht fanden, half er auch mal als Aufbauspieler aus. Langer Paß ins Mitteldrittel, Querpaß, Schuß und Tor.

KEV-Taktik ist, damit der Lang auch richtig zeigen kann, was er kann, stets die kontrollierte Defensive, Abwehrgetümmel mit fast religiöser Hingabe. Da wird Eishockey gearbeitet („Wir sind eine Mannschaft von Blaumännern“ sagt Trainer Mike Zettel). Eigene Angriffe dienen meist nur zum Atemholen, bis der Gegner eingeschläfert ist und dem teilweise spieltechnisch biederen Angriffspersonal mal ein richtiger erfolgreicher Konter gelingt. Den euphorisierten Massen (die morsche Rheinlandhalle wieder beängstigend überfüllt) gefällt der hingebungsvolle Kampf trotz spielerischer Mängel — kein Wunder nach 13 Jahren Erstligaabstinenz und einem blendenden Platz 6 derzeit.

Der KEV versteht sich als große Eishockey-Familie. Rauchverbot gibt es in jeder Halle, aber weil sich die eigenen Lieblinge beschwert haben, hält sich in Krefeld jeder daran. Es scheint im Team wirklich das zu geben, was so bieder-gestrig „Kameradschaft“ heißt — als Neuzugang Marek Stebnicki (ein „Sahneteilchen“, so der Präsident) zuviel Geld forderte, sprach sich das Team gegen den 80fachen polnischen Internationalen aus, um ihn erst gnädig in den eigenen Reihen zuzulassen, als er sich dem normalen Gehaltsgefüge anzupassen bereit war.

Der Präsident Ulli Urban (48), einheimischer Stahlhändler, ist ein Anti-VIP-Typ. Er liebt es hausbacken, stimmt auf der Ehrentribüne schon mal persönlich die Klatschstakkati an und jauchzst und jubelt wie ein Stehplätzler. Seine KEV- Karriere begann vor gut dreißig Jahren im Stehblock, wo er für die Konfettiregen zuständig war. Das Papiermaterial raspelte er sich aus den Kirchenzeitungen zurecht, die er eigentlich verteilen mußte. Jedes Wochenende war Heimspiel und da gab es für Krefelds Christen wenig zu lesen.

Trainer Mike Zettel, ein 38jähriger Ex-NHL-Profi aus Kanada, wird nach gerade zehn Monaten als bester Coach verehrt, den der KEV je hatte. Er übernahm das Team zu Weihnachten als Tabellenletzter der zweiten Liga. Er liebt das Understatement: „Wir sind als Lehrling in die Bundesliga gekommen, doch wir lernen täglich hinzu.“ Gegen die Haie fehlte gegen Ende ein wenig Konzentration. Haie-Dompteur Hardy Nilsson hatte die Hoffnung schon aufgegeben beim 2:3: „Ich dachte, wir können hier den ganzen Abend spielen, ohne nochmal zu treffen.“ Doch allmächtig ist auch Karel Kellengott nicht und so fand Pokorny noch eine einzige winzige Lücke zum glücklichen Ausgleich. Bernd Müllender

Ergebnisse vom Freitag: Freiburg — Weißwasser 6:2, Preussen Berlin — Schwenningen 6:5, München — Rosenheim 7:4, Mannheim — Kaufbeuren 4:6, Landshut — Düsseldorf 1:7.