Neuer Zentralismus

■ In Bangkok stützten sich G-7 und Jawlinski gegenseitig

Neuer Zentralismus In Bangkok stützten sich G-7 und Jawlinski gegenseitig

Trotz aller Absurdität: Der US-Regierung wäre es nachzusehen gewesen, wenn sie ihren endgültigen Sieg über den Realsozialismus und die Planwirtschaft mit einem Kredit in Milliardenhöhe hätte feiern können. Sogar noch mehr: Je größer der Kredit, desto größer der Sieg. Schließlich sind nicht die US-Banken die größten Einzelgläubiger der Sowjetunion, sondern die deutschen. Nachdem die Geldhäuser an Wallstreet zu Beginn der 80er Jahre vielzu geringe Summen für ihre faul gewordenen Lateinamerikakredite zurückgestellt hatten, war es einleuchted, daß die dortigen Banken ihren Frankfurter Wettbewerbern von Herzen eine möglichst marode Sowjetunion an den Hals wünschten.

Doch diesen Gefallen hat ihnen Gregori Jawlinski beim G-7-Treffen in Bangkok nicht getan. Wenn ihm hier auch die innerkapitalistische Konkurrenz noch egal sein kann: Er hat in Bangkok ein halbwegs intaktes Zentrum präsentiert, daß von den G-7 offensichtlich als Verhandlungspartner akzeptiert worden ist. In diesem Sinne ist die weitere Bedienung der Schulden durch die Außenwirtschaftsbank in Moskau eine auch politisch bedeutende Entscheidung, denn die G-7 hatten ja lediglich Klarheit darüber verlangt, an wen sie sich überhaupt wenden sollen. Auch wenn die Bangkok-Gespräche nicht gleich die Opposition aus den Republiken gegen einzelne Bestimmungen des Wirtschaftsvertrages kaltstellen — der Handel beruht auf Gegenseitigkeit. Damit hat Jawlinski eine Schwäche der G-7-Länder ausnützen können. Mit Grauen, das war in Bangkok überdeutlich zu erkennen, haben die Bänker daran gedacht, wie sie wohl eine Dollar-Milliarde Auslandsschulden in Alma Ata oder Minsk eintreiben könnten. Auch den G-7-Delegationen war klar, daß sie derzeit weder über Instrumente noch über Strategien verfügen, mit dem Wirrwar von neuen (In-)Kompetenzen fertig zu werden. Noch unmittelbar vor dem Treffen mit Jawlinski hatte etwa der Bundesbankpräsident nur vorsichtig für einen einheitlichen Rubelraum plädiert. Einen Überblick über den derzeitigen politischen Streit darüber in Moskau hatten weder das Finanzministerium noch die Bundesbank.

Es mag sein, daß die vier Republikenvertreter wirklich so eingeschüchtert waren, wie sie in der Nacht zum Sonntag im Hilton-Hotel in Bangkok wirkten. Der Umstand aber, daß sie auf Jawlinskis Verhandlungsführung keinerlei Einfluß genommen zu haben scheinen, deutet auf eine gewisse Bereitschaft hin, sich diese Weltfinanz-Community noch eine Weile vom Hals halten zu wollen. Selbst dies würde Jawlinski und dem Zentrum noch nützen. US-Finanzminister Brady wird mit neuen Angaben über den sowjetischen Rüstungsetat zufriedengestellt. Und die deutschen Geldgeber, seien es Politiker oder Bänker, können nach diesem Wochenende ruhiger schlafen. Dietmar Bartz, z.Zt. Bangkok