UdSSR und Republiken stehen gemeinsam für alle Auslandsschulden gerade

Die IWF-Delegation aus der Sowjetunion verspricht den G-7: Die Außenhandelsbank bleibt bestehen  ■ Aus Bangkok Dietmar Bartz

Um Mitternacht, nach dem Ende der Gespräche zwischen den G-7-Delegationen und den Besuchern aus der Sowjetunion, waren die Finanzminister und Notenbankchefs noch verschwiegen. „Hat Brady die Informationen als ,sehr wichtig‘ oder ,sehr, sehr wichtig‘ bezeichnet?“ witzelten Agenturjournalisten aus den USA über die dürftige Nachrichtenlage und die einzige Auskunft des US- Finanzministers. Ein ähnliches Problem bei der 'Agence France Presse‘: War Beregovoy der Meinung, daß die Erläuterungen von Wirtschaftsberater Grigori Jawlinski „sehr nützlich und sehr wichtig“ gewesen seien, oder hatte der französische Finanzminister es umgekehrt bewertet? Sein deutscher Amtskollege Theo Waigel konnte sich immerhin zu „sehr interessant“ durchringen.

Nur: Die Delegation aus der UdSSR war bis zum Ende dieser Gespräche immer noch nicht komplett. Die Politikerdelegation mit ihrem Star Jawlinski an der Spitze war, schon für Freitag erwartet, immerhin am Samstag eingetroffen. Der Streit im Staatsrat um den Wirtschaftsvertrag hatte sie in Moskau aufgehalten. Wenn Jawlinski nicht hätte präsentieren können, daß der Vertrag alsbald von zehn Republiken unterzeichnet werden soll, er hätte gleich zu Hause bleiben können — ein Indiz dafür, wie stark der Zeit- und Gelddruck ist, die Sowjetunion umzugestalten. Noch länger aufgehalten wurden die beiden nach Jawlinski wichtigsten Abgesandten: Die Präsidenten der Zentralbank, Geraschtschenko, und der Außenwirtschaftsbank, Moskowski. Sie konnten den G-7 erst am Sonntag berichten, wie die Bedienung der sowjetischen Auslandsschulden künftig aussehen soll.

Und dies war dann auch die wichtigste Neuigkeit, als die Verhandlungen beendet waren: Die Außenwirtschaftsbank bleibt bestehen und wird die Bedienung der Auslandsschulden, rund 68 Milliarden Dollar, übernehmen. Wie die Moskauer Zentrale die Aufteilung gegenüber den Republiken übernimmt, ob über Steueraufkommen oder Ablieferungen, ist ihr Problem. Umschuldungen oder das Aussetzen von Zahlungen wird es einstweilen nicht geben, denn die Rückzahlungen mindestens für die kommenden zwei Monate sind gesichert. Ein Überbrückungskredit, um Haushaltslöcher in diesem Jahr zu stopfen, wurde nicht einmal diskutiert. Alsbald sollen die Staatssekretäre nach Moskau fliegen und sich dort mit Experten der Union und der Republiken treffen, deren Zuständigkeit genau definiert ist. Und schließlich werden alle Daten offengelegt, die zur Beurteilung der ökonomischen Lage nötig sind — und zur Umwandlung der Sowjetunion in eine „marktorientierte Wirtschaft“ führen, so das abschließende Kommuniqué der G-7.

Damit hat Jawlinski den gesamten Forderungskatalog der G-7 erfüllt, den sie zur Voraussetzung für weitere Gespräche aufgestellt hatten. Sogar detaillierte Angaben zu den Militärausgaben — sobald er sie selbst habe — würden bekannt gemacht. „Jetzt ist auch die Bevölkerung auf Veränderungen wie in Deutschland am Ende der vierziger Jahre eingestellt“, soll Jawlinski Bundesfinanzminister Waigel zufolge gesagt haben — mit der Ermunterung durch die G-7 im Rücken kein Wunder.

So waren die Reaktionen der sieben Finanzminister und Notenbankpräsidenten am Sonntag mittag denn auch verhalten positiv. Dabei hatte die Zusammensetzung der Delegation zunächst Kopfschütteln ausgelöst: Außer Jawlinski und den beiden Bankern waren der stellvertretende Unionsaußenminister Obminski, der stellvertretende Unionsfinanzminister Sitnin, der kirgisische Finanzminister Kunakunow, der erste stellvertretende weißrussische Finanzminister Rumas und der Chef eines Unterausschusses des russischen Obersten Sowjets, Scheloz-Kosedjajew, mitgekommen. Eine Liste, die entweder Beliebigkeit bei der Auswahl (so fehlte die Ukraine) oder ein breites Spektrum von Meinungen vermuten ließ — schließlich hatte der kirgisische Präsident Akajew noch am Freitag gefordert, der Wirtschaftsvertrag dürfe keine Bestimmungen enthalten, die etwa Elemente des Unionsvertrages vorwegnähmen — im genauen Gegensatz zu Jawlinski, der den Wirtschaftsvertrag als wichtigsten Schritt auf dem Weg zum Unionsvertrag betrachtet.

Über den zweiten Streitpunkt von Moskau, die zukünftige Rolle der Zentralbank und damit die Frage neuer Währungen in der zerfallenden Sowjetunion, waren noch keine Details zu erfahren. Den dritten Problempunkt allerdings, die Schuldenaufteilung, haben die G-7 nun vom Hals.

Die Auslandsschulden werden also einstweilen weiter abbezahlt. Aber womit? 240 Tonnen Gold hat die Sowjetunion noch als Reserve, teilweise aber schon beliehen. Eine Öffnung der Märkte für Produkte aus der Sowjetunion sei nötig — aber nicht nur in Westeuropa, sondern auch in den USA und Japan. Für Erdöl und Erdgas ist eine Marktöffnung erst gar nicht nötig. Aber wer kauft die Industrieprodukte der SU?