Was bleibt: Nur noch ein Lenin-Denkmal in Havanna

■ Lenin-Initiativen wollen alles für den Erhalt des Denkmals tun/ Ein Westberliner verdarb die Stimmung

Friedrichshain. Zu Lenins Füßen wurde am Samstag nachmittag erneut und vehement der Erhalt seiner übergroßen Nachbildung aus roten Granitblöcken gefordert. Denn der Bezirk und der schwarz-rote Senat wollen das 19 Meter hohe Denkmal jetzt endgültig weghaben und nur noch Berlins oberster Denkmalschützer, Landeskonservator Helmut Engel, könnte ihn retten. Der Staatssekretär für Stadtplanung, Wolfgang Branoner (CDU), forderte gestern nachmittag in einem Schreiben an den Bausenator Wolfgang Nagel (SPD), das Lenin-Denkmal aus der Denkmalschutzliste zu streichen.

Bei der Kundgebung am Wochenende meinte ein Herr Jeske aus Ost-Berlin: »Geschichte kann man nicht verfälschen, nicht so einfach wegstecken, egal, ob sie richtig oder falsch war.« Seine Begleiterin Frau Leonhard sagte: »Man muß die Geschichte aufarbeiten.« Rainer Raeder aus Ost- Berlin brachte seinen Unmut über den Abriß als »Ergebnis einer kaputten Gesellschaft« mit dem Liebermann-Zitat: »Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte« zum Ausdruck. »Einziger Trost« für ihn, falls das Denkmal tatsächlich Opfer unüberlegter Politik werden sollte, »ist ein Lenin-Denkmal, das ich kürzlich in einem Park in der Nähe von Havanna bei 35 Grad im Schatten bewundern konnte. Wenn der Lenin hier abgerissen wird, bleibt der in Kuba auf jeden Fall erhalten.«

Ein Mitorganisator der Initiative Lenin-Denkmal eröffnete die Kundgebung mit den Worten: »Auch wenn wir den kürzeren Arm haben, dürfen wir nicht aufgeben. Wir sind jene, die gehört werden wollen, auch wenn wir nicht entscheiden können.« Der Abgeordnete Albert Eckert von der Fraktion Bündnis 90/Grüne (AL) warnte davor, »durch den Abriß offene Narben zu reißen, ohne überlegt zu haben, was danach kommt. Was soll aus Berlin werden, wenn nicht einmal die Fachkommission zum Umgang mit den politischen Denkmälern im ehemaligen Ost-Berlin zustande kommt?«

Eberhard Elfert von der Initiative Politische Denkmäler der DDR kritisierte, daß »die Demokratie, die die DDR-Bürger jetzt lernen sollen, mißachtet wird.« Als Heinrich Klar aus West- Berlin als entschiedener Gegner des Lenin-Denkmals seine Freude auf »den Tag, an dem Lenin als Verkörperung von Gewalt endlich abgerissen wird«, zum Ausdruck brachte, zeigte sich an den Pfiffen und Buhrufen, daß die Demokratie in der Tat erst gelernt sein will. »Demokratie heißt auch, Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen«, so ein Anwohner. Ein vorbeifahrender Trabant, dessen Fahrer aus geöffnetem Fenster kurz und entschieden »Stehenlassen!« rief und dann knatternd und stinkend weiterfuhr, schien wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Ebenso die alte Dame auf dem Nachhauseweg beim Überqueren der Ampel: »Erst wurden wir vereinigt und jetzt kommt man sich vor wie in einem Kolonialwarengeschäft.« wahn