LIEBE DEINEN NÄCHSTEN NAZI WIE DICH SELBST Von Mathias Bröckers

Mit Entsetzen angesichts der Übergriffe auf Ausländer ist es nicht getan, genausowenig wie mit „hartem Durchgreifen“ der Polizei — Gegengewalt gegen Gewalttätige beseitigt nur das Symptom, nicht aber die Krankheit. Auch wenn es angeraten ist, bei akutem Fieber ein fiebersenkendes Mittel zu verordnen, die Linderung darf nicht mit der Heilung verwechselt werden. So notwendig es also sein mag, den vom teutonischen Fascho- Fieber Befallenen mit Knüppel und Knast ein wenig Linderung zu verschaffen, zur Therapie der Ausländerfeindlichkeit sind diese Mittel denkbar ungeeignet. Und solange der schon unlängst hier unterbreitete Vorschlag, den neuen Nazis durch Zwangsverschickung in exotische Länder Multi-Kultur beizubringen („Heilt Hoyerswerda!“, taz 24.9.), nicht realisiert wird — solange bleibt uns nichts anderes, als ihnen hier vor Ort das Gehirn zu waschen. „Nazis raus!“ ist dabei die allerdämlichste Parole — denn wohin mit ihnen? Sie waren ja (1939 ff) gerade erst „draußen“ und das ist der Welt nicht noch einmal zuzumuten. „Nazis rein!“, nämlich in den Knast, ist ebenfalls keine Methode: 40 Jahre hat die DDR beinharten Anti-Faschismus von oben durchexerziert, wie jetzt zu sehen, ist unten davon wenig angekommen. Der Ruf nach einem starken Staat gegen die braune Gefahr ist deshalb seltsam paradox, vor allem wenn er von denen kommt, die ansonsten mit dem Gewaltmonopol des Staats nicht allzuviel zu schaffen haben wollen. Und so viele gute Gründe für ein Anti-Diskriminierungs-Gesetz sprechen mögen, letztlich produziert es nicht weniger Nazis, sondern mehr Kriminelle. Was tun? Es ist an der Zeit, daß wir in unseren Nazis das Gute entdecken. Denn es kann ja doch nicht wahr sein, daß diese Burschen, die da Asyl-Heime anzünden und Babys abfackeln so durch und durch böse sind, daß sie geradewegs auf den Scheiterhaufen gehören. Dem Bundespräsidenten, der sich mal wieder vorbildlich mit den Immigranten solidarisiert hat, wäre es so im Rahmen des christlichen Pluralismus angeraten, auch seine wildgewordenen Kleinbürger nicht zu vergessen: „Liebe deinen nächsten Nazi wie dich selbst!“ Multi-Kultur ist immer auch die Freiheit dessen, der für Mono-Kultur ist. Das heißt nicht, daß man die Gewalttätigkeit der neuen Nazis dulden, hinnehmen, verharmlosen soll — es ist Terrorismus der allerübelsten Sorte — aber es gilt, das Kind nicht schon wieder mit dem Bade auszuschütten, so wie es in den 70er Jahren beim Kampf gegen Links geschah. Die nazi-freie Gesellschaft ist eine gefährliche Illusion und letztlich so absurd die juden-reine, ausländer- freie Gesellschaft. Es führt also kein Weg daran vorbei, die neue Rechte zuzulassen, sie zu integrieren. Nun sträuben sich einem sämtliche Nackenhaare bei der Aufforderung, sich mit den faschistoiden Glatzen, ihrem eindimensionalen, dumpf-brutalen Scheuklappen-Weltbild zu verbrüdern — nur so aber kann die Gefahr von rechts aufgelöst, der Nationalismus in Folklore verwandelt werden. Wir schaffen es, ohne Waffen-SS!