Glühbirne auf dem Hintern

■ Eine Begegnung mit Dada in New York

Was würden Sie sagen, wenn Sie zu einem Vortrag gingen und der Vortragende käme, öffnete seine Aktentasche, und statt eines Vortrags käme nur schmutzige Wäsche heraus? Sehen Sie, das war Dada New York. Man hat den Mann festnehmen lassen und ließ ihn dann doch wieder frei, weil er niemanden ernsthaft verletzt hatte.

Ja, Dada hatte es immer schwer. Man verstand diese Leute nicht, und in der Tat gab es da auch gar nichts zu verstehen, abgesehen davon, daß die Geschichte mit der schmutzigen Wäsche nun wirklich nicht schwer zu verstehen war ... In New York ging Man Ray durch die Straßen, klaubte eine verbeulte Blechdose auf, versah sie mit dem Titel 8.Straße, wo er sie gefunden hatte, und schon war ein Kunstwerk geboren! Kunst und Leben, das sollten keine getrennten Bereiche mehr sein.

Besonderes Augenmerk verdient da Elsa von Freytag-Loringhoven, die unter allen Dadaisten am konsequentesten sich selbst, ihre Erfahrungen, ihren Körper zum Kunstwerk stilisierte, und zwar nicht auf eine schläfrige, sondern auf eine militante Art und Weise: Man denke nur an ihren BH aus zwei Dosen Tomatensuppe und die Glühbirne auf ihrem Hintern. Sie inkarnierte Dada, während andere nur davon sprachen.

Das Interessante an Dada New York ist aber vor allem, daß es eigentlich gar nicht existierte. Es gab Einzelne, die etwas machten, es gab keine „Bewegung“, und die Einzelnen waren in der Hauptsache europäische Emigranten, denen auf dem alten Kontinent die Luft zu dick geworden war. Dada wollte ja gar keine Bewegung sein, eher ein Zufall, ein Zustand, eine Haltung, eine Einstellung: „Alle, die ohne feste Regeln leben, sind DADA.“

Die vereinzelten Zeugnisse und Bilder zu New York sind in dem kleinen Buch von Brigitte Pichon und Karl Riha zusammengetragen, und ehe Sie sich's versehen, wissen Sie schon alles über Dada und können an der nächsten U-Bahn-Station aussteigen. Wilhelm Schmid

Brigitte Pichon/Karl Riha (Hrsg.): Dada New York. Von Rongwrong bis bis Readymade. Texte und Bilder. Edition Nautilus, 64 Seiten, 12,-DM