PRESS-SCHLAG
: Sportflopp Berlin

■ Selbst Herren-Tennis lockte keine Berliner in die Sporttempel: Tennis als reines TV-Event?

Berlins Bürgerchef Eberhard Diepgen nahm den Mund vor dem Herren-Tennisturnier gewohnt voll: Das Turnier unterstreiche die Bedeutung Berlins als Sportstadt und Olympiabewerber. Was als ordinäre Polit-Floskel dahergesagt wurde, war eine Woche später der Brüllwitz für Olympiagegner. Denn das Herren-Turnier in der Deutschlandhalle markiert die vorläufige Spitze des Zuschauerflopps in Sachen Berliner Sport- Großveranstaltungen.

Schon das American-Football- Spiel zwischen zwei US-Top-Teams war nicht ausverkauft, das Leichtathletik-Sportfest ISTAF lockte nur knapp 40.000 Zuschauer an, bei der Hockey-Champions- Trophy fanden sich nur die engsten Familienangehörigen der Aktiven ein.

Doch daß die Berliner selbst Tennis verschmähen, hatte keiner geglaubt. Großflächig wurde die Stadt mit grinsenden Tennisbällen zuplakatiert; es kann also niemand sagen, er habe es nicht gewußt. Nein, die Berliner wollen nicht. Nicht einmal geschenkt. Von 1.000 Karten, die eine Zeitung umsonst verramschen wollte, wurden nur zwanzig abgeholt.

„Das Wetter war zu gut“, jammerten die Veranstalter. Was natürlich Quatsch ist. Wer Tennis sehen will, will Tennis sehen. Da stimmt schon eher, das Fehler im Vorfeld gemacht wurden. Einerseits wurde unterlassen, den Berliner Tennisclubs Karten zur Verfügung zu stellen. Andererseits brüsteten sich die Organisatoren damit, daß der Etat auch ohne Zuschauer vollkommen gedeckt sei.

So konnten Sponsor und Turnierdirektor die Gäste mit Handschlag begrüßen: Beim Viertelfinale Michael Stich gegen Anderrs Jarryd kamen 300 Menschen, Stich schied aus, wie ein Kind stampfend vor Wut, tobend, keifend. Er erschien nicht einmal zur Pressekonferenz und reiste vorzeitig ab.

Turnierdirektor Grosse: Abiturient Stich sei solchen Situationen intellektuell noch nicht gewachsen. Man werde sich ab jetzt nicht nur auf ihn als Zugnummer beschränken. Auch als Olympia-Botschafter ist Stich nach dem Affentheater umstritten.

Die Friedhofsruhe von Berlin wurde auch im Finale, das Petr Korda (CSFR) gegen den Qualifikanten Arnaud Boetsch (Frankreich) 6:3, 6:4 gewann, nicht getrübt: Die 1.000 Zuschauer beeinträchtigten die Spieler nur unbedeutend in ihrer Konzentration. Korda bewies Humor: „Ich finde es gut hier mit den Zuschauern! Vergangenes Jahr waren wir ganz allein mit den Balljungen.“ In Wahrheit spiele er natürlich lieber vor Menschen. Ohne Publikum habe das Tennis keine Überlebenschance, und schließlich wollen auch die Sponsoren Publikum für ihre Produkte.

Doch könnte es denen theoretisch nicht genügen, wenn die Werbemessage via TV an die Käufer gebracht würden? Werner Reinecke, Marketingleiter des Hauptsponsors Holsten, hält das für illusorisch: Das Publikum sei beim Tennis wie der zwölfte Mann beim Fußball. „Leere Hallen sind Antiwerbung.“

Während Grosse noch glaubt, Fans per Wett-Spiel (Gewinnt mein Spieler, gewinne auch ich) anlocken zu können, setzt Reinecke nur auf eines: Top-Ten- Stars: „Die Leute sind geil auf Namen.“ Die will er holen, schon ist Becker im Gespräch. Kommt Becker, kommen Zuschauer, kommen Zuschauer, kommt Stimmung. Und Stimmung paßt zum Sponsoren-Produkt. Doch von Werbung direkt am Sportler sieht Reinecke gnädig ab: „Ich will kein Bier auf dem Platz sehen. Sport ist Sport, und Bier ist Alkohol.“ miß