Türkei bombardiert Kurden im Nordirak

Phosphor- und Napalmbomben eingesetzt/ Ankara: „Nur Räuberbanden“ getroffen  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Die kurdische Stadt Zakho im Nordirak war am Sonntag Schauplatz einer großen Demonstration gegen die türkischen Bombardements auf kurdische Dörfer im Nordirak. Die Demonstranten trugen Kugeln und Reststücke abgeworfener Bomben mit sich. „Özal und Saddam sind nur zwei Seiten einer Medaille“ skandierten Demonstranten in Zaho.

Nur 100 Kilometer von Zakho entfernt pries der türkische Staatspräsident Turgut Özal im kurdischen Hakkari vor Tausenden die Wohltaten der Türkei für die Kurden: „Ich habe mit dem US-Präsidenten geredet, und die US-Hilfe kam. Ohne mich wäre die Hilfe nicht erfolgt. Dann kamen die US-Soldaten. Sie beendeten die Unterdrückung durch Saddam. Die Kraft der Türkei, die politische Kraft der Türkei hat die Probleme gelöst.“ Özal flog im Anschluß an die Kundgebung weiter ins Grenzgebiet. An dem Militärposten Tastepe versprach er: „Wir werden jede Maßnahme ergreifen, um das Problem an der Wurzel zu lösen.“

Die Problemlösung bestand offensichtlich in dem Abwurf von Bomben auf kurdische Dörfer im Norirak. Augenzeugen aus dem Gebiet berichten seit Freitag von dem Einsatz von Phosphor und Napalmbomben. Die Kurden flüchteten. Von den 600 Einwohnern sind gerade noch zehn im Dorf geblieben. Viele der kurdischen Bauern dachten offensichtlich, daß es sich bei den Flugzeugen um Hilfslieferungen der Alliierten handelt. Im dem Krankenhaus von Zakho liegen verletzte Kurden mit Verbrennungen, Opfer der Napalmangriffe. Rund ein Dutzend Menschen sind wahrscheinlich seit Beginn der türkischen Luftwaffenangriffe getötet, mehere hundert verletzt worden.

Die militärische Aggression habe sich, so heißt es offiziell, gegen Lager der „Arbeiterpartei Kurdistans“ PKK gerichtet, die seit 1984 einen bewaffneten Guerillakrieg in Türkisch-Kurdistan führt. Der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz hatte beiläufig auf einem Pressefrühstück am Freitag die „grenzüberschreitende Operation“ der türkischen Armee bekanntgegeben. „Es gibt dort keine Siedlungen. Mit kurdischen Dörfern hat das nichts zu tun“, sagte der Generalsekretär des Generalstabes Hursit Tolon. Er sei völlig sicher, daß Camps der „Räuberbanden“ getroffen worden seien. „Räuberbanden“ sind in offizieller Sprachregelung die PKK.

Augenzeugenberichte strafen die offizielle Propaganda Lügen. Der Führer der „Demokratischen Partei Kurdistans“ Mesud Barzani sprach von einem „grausamen Massaker“ und drohte mit Vergeltungmaßnahmen. Auch die Iraker richteten eine Protestnote an die Türkei, in der der Einsatz von Napalm gegen Zivilisten verurteilt wird.

Neuesten Informationen aus dem Bericht zufolge sind mittlerweile die Bombardements eingestellt worden. „Es war ein voller Erfolg“, gab ein Sprecher des Generalstabes informell bekannt.

Ungewohnt scharfe Kritik kam unterdessen aus der Bundesrepublik. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Ottfried Henning (CDU), erklärte in einem Interview mit der 'Neuen Osnabrücker Zeitung‘, die Bundesrepublik müsse die Einstellung ihrer bisherigen militärischen Ausrüstungshilfe überprüfen, wenn die Türkei fortfahre, die Menschenrechte in derart massiver Form zu verletzen. Die Türkei müsse endlich lernen, mit ihren religiösen und ethnischen Minderheiten zu leben.